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Bettler 01 - Bettler in Spanien

Titel: Bettler 01 - Bettler in Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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edelsteinbesetztem Gold versehen waren.
    Die darauf folgende Kommentatorenstimme war elektronisch verdeutlicht und geschönt: »Unabhängigkeit – wahrhaftig: vom Hunger, vom Elend, vom Parteigeist, der uns so lange entzweit hat; von Verwicklungen mit anderen Ländern – von denen uns George Washington schon vor dreihundert Jahren abgeraten hat –, von Mißgunst, vom Klassenkampf. Von Neuerungen – es ist ein ganzes Jahrzehnt her, seit die Vereinigten Staaten zum letztenmal bei einem wichtigen technischen Durchbruch Pionierarbeit geleistet haben. Unsere Zufriedenheit, so scheint es, führt dazu, daß wir uns im Gewohnten, uns Vertrauten geborgen und wohl fühlen. Aber war es das, was unsere Gründerväter für uns beabsichtigten – dieses behagliche, sorgenfreie Leben, dieses ungestörte politische Gleichgewicht? Findet uns der Tag unseres dreihundertjährigen Bestehens im Zielhafen oder sind wir in eine völlige Flaute geraten und stehen deshalb still?«
    Leisha war verblüfft; wann hatte sie diese Frage zum letztenmal gehört – selbst auf einem Macher-Kanal? Jordan und Stella beugten sich gespannt vor.
    »Und welche Auswirkungen«, fuhr der Kommentator fort, »hat dieses abgeklärte Gleichgewicht auf unsere Jugend? Die arbeitende Klasse…« – Szenen aus der New Yorker Börse, aus einer Kongress-Sitzung, aus einer Versammlung hochkarätiger Wirtschaftskapitäne – »schuftet immer noch mit Hochdruck. Doch die sogenannten Nutzer, jene achtzig Prozent der Bevölkerung, die durch ihre schiere Anzahl die Wahlen entscheiden, stellen einen immer weniger fruchtbaren Nährboden dar, um die Besten und Klügsten für die Gestaltung von Amerikas Zukunft hervorzubringen. Denn unabdingbar für das Ziel, zum Besten und Klügsten zu werden, ist der Wunsch sich auszuzeichnen…«
    »Oooch, schaltet das Ding doch aus!« sagte Eric laut. Stella warf ihm einen ärgerlichen Seitenblick zu; Jordan sah zu Boden. Dieses mittlere ihrer Kinder brach ihnen das Herz.
    »… und vielleicht sind widrige Lebensumstände sogar notwendig, um diesen Wunsch zu erzeugen. Die beinahe in Mißkredit geratenen Ideale des Yagaiismus, die vor vierzig Jahren so großen Einfluß auf die Menschen ausübten…«
    Wall Street und die Rollerrennen verschwanden. Der Kommentator fuhr fort, Holoszenen zu beschreiben, die nicht zu sehen waren, statt dessen wurde die Bühne von der Projektion einer undurchdringlichen Schwärze erfüllt. »Was soll…!« sagte Seth.
    Sterne erschienen in der Schwärze. Der Weltraum. Die Stimme des Kommentators beschrieb die Dreihundertjahrfeier im Weißen Haus. Vor den Sternen tauchte eine Orbitalstation auf, die sich langsam drehte, und darunter ein Banner mit dem Zitat eines anderen Präsidenten aus einer anderen Zeit – Abraham Lincoln: »Kein Mensch ist gut genug, um über einen anderen ohne dessen Einwilligung zu herrschen.«
    Alle redeten durcheinander. Leisha saß einen Augenblick lang verwirrt still, doch dann verstand sie. Dies hier war keine normale Sendung. Sanctuary verfügte über eine Anzahl von Kommunikationssatelliten, die alle Sendungen, welche auf der Erde ausgestrahlt wurden, mithörten, und über die Geschäfte via Datennetz abgewickelt wurden. Sie waren in der Lage, Sanctuarys eigene Sendungen über Richtantennen abzustrahlen: Das Holobild der Orbitalstation war ausschließlich für das Anwesen bestimmt – für Leisha, für niemanden sonst. Es war fünfundzwanzig Jahre her, daß Leisha zum letztenmal mit Sanctuary Kontakt gehabt hatte, mit seinen offiziellen Tochtergesellschaften oder mit seinen fragwürdigen inoffiziellen Geschäftspartnern. Dieses Fehlen jeglicher Verbindung – mit seinen Myriaden von Verzweigungen und Folgewirkungen – hatte diese Untätigkeit, diesen Stillstand in einer völligen Flaute erzwungen: ihren eigenen, den von Jordan und Jordans Kindern. Fünfundzwanzig Jahre. Daher diese Sendung.
    Jennifer wollte sie bloß daran erinnern, daß Sanctuary immer noch existierte.
     
    Miris erste Erinnerung war jene an Sterne. Ihre zweite war die an Tony.
    In der Erinnerung an die Sterne hielt ihre Großmutter sie dicht an eine gewölbte Scheibe hoch, und hinter der Scheibe war alles schwarz und mit winzigen Lichtpunkten übersät – mit glühenden, funkelnden Lichtern, und als Miri hinsah, flog eines von ihnen vorbei. »Ein Meteor«, sagte Großmama, und Miri streckte die Arme aus, um nach den blinkenden Sternen zu greifen. Großmama lachte. »Sie sind zu weit weg für deine Hände.

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