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Bettler 01 - Bettler in Spanien

Titel: Bettler 01 - Bettler in Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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schnelle Reise nach Philadelphia‹, zu: ›Paines eilige Reise nach Philadelphia‹.«
    »Geändert«, sagte das Terminal.
    »Glaubst du wirklich«, fragte Alice, »daß noch irgend jemand auf diese alten Sprachregelungen Wert legt?«
    »Ich lege Wert darauf«, antwortete Leisha. »Alice, du hast dein Mittagessen noch nicht einmal angerührt!«
    »Ich habe keinen Hunger. Und du legst gar keinen so großen Wert auf die Sprachregeln, du brauchst bloß einen Zeitvertreib. Hör mal, was ist denn das für ein Wirbel drüben an der Vordertür?«
    »Hunger oder nicht, du mußt etwas essen. Du mußt!« Alice war jetzt dreiundsiebzig, sah aber viel älter aus. Für immer verschwunden war die untersetzte Figur, die sie ihr ganzes Leben lang gestört hatte; jetzt hing ihre Haut über dünnen Knochen, die aussahen wie zarte Drahtgebilde. Nach einem zweiten Schlaganfall war sie nicht wieder an ihr Terminal zurückgekehrt. In ihrer Verzweiflung hatte Leisha Alice sogar vorgeschlagen, ihr Hobby, die parapsychologischen Phänomene bei Zwillingen, wieder aufzunehmen, aber Alice hatte nur traurig gelächelt – die Zwillingssache war das einzige Thema, bei dem sie nie wirklich eine Gesprächsbasis gefunden hatten – und den Kopf geschüttelt. »Nein, Liebes, dafür ist es zu spät. Um dich zu überzeugen.«
    Aber der Schlaganfall hatte die Liebe zu ihrer Familie nicht schmälern können. Sie grinste, als der Wirbel von drüben zur Tür hereinplatzte.
    »Drew!«
    »Ich bin wieder zu Hause, Oma Alice! Hallo, Leisha!«
    Alice streckte ungeduldig die Hände aus, und Drew beschleunigte den Rollstuhl, um in ihrer Umarmung zu landen. Anders als ihre eigenen Enkel mit ihrer perfekten Gesundheit schien Drew die starre linke Seite von Alices Gesicht, den Speichel in ihrem linken Mundwinkel und ihre undeutliche Sprechweise nie als abstoßend zu empfinden. Alice drückte ihn fest an sich.
    Leisha legte den Rest des Apfels hin – er hatte ohnedies keinerlei Geschmack; was dem Agrogen-Verband diesmal unterlaufen war, konnte man definitiv nur als Rückschritt bezeichnen – und wartete gespannt ab. Als Drew sich schließlich zu ihr umdrehte, sagte sie: »Du bist schon wieder von der Schule geflogen.«
    Drew schickte sich an, sein gewinnendes Lächeln aufzusetzen, warf einen eingehenderen Blick in Leishas Gesicht und verzichtete darauf. »Ja.«
    »Und aus welchem Grund diesmal?«
    »Nicht wegen der Noten, Leisha. Diesmal hab ich wirklich gelernt.«
    »Weshalb dann?«
    »Rauferei.«
    »Wen hat’s getroffen?«
    »Einen Mistkerl namens Lou Bergin«, sagte er dumpf.
    »Ich nehme an, ich werde demnächst von Mister Bergins Anwalt hören.«
    »Er hat angefangen, Leisha. Ich hab der Sache bloß ein Ende gemacht.«
    Leisha betrachtete Drew nachdenklich. Er war jetzt sechzehn, und trotz des Rollstuhls – oder vielleicht gerade deswegen – trainierte er verbissen und hielt seinen Oberkörper in phantastischer Verfassung. Es fiel Leisha nicht schwer, ihn für einen höchst gefährlichen Kämpfer zu halten. Seine unreifen Gesichtszüge hatten noch nicht das richtige Größenverhältnis zueinander gefunden: seine Nase war zu groß, das Kinn zu kurz, und die Haut war entweder noch prall vom Babyspeck oder übersät mit Akne. Nur seine Augen waren uneingeschränkt schön – lebhaft grün und eingerahmt von dichten schwarzen Wimpern. Ihr Ausdruck war in der Lage, so ziemlich jedermann das Gefühl zu verleihen, daß Drew ihn absolut faszinierend fand. Leisha bildete eine Ausnahme. In den vergangenen zwei Jahren hatte zwischen ihnen beiden eine eher feindselige Atmosphäre geherrscht, die immer wieder gemildert wurde von dem unbeholfenen Bemühen seinerseits, daran zu denken, wieviel er ihr verdankte, und ihrerseits, sich daran zu erinnern, was für ein einnehmendes Kind er gewesen war.
    Dies war die vierte Schule gewesen, von der man ihn verwiesen hatte. Beim erstenmal war Leisha um Nachsicht bemüht: Ein kleiner, zum Krüppel gemachter Nutzer – die intellektuellen Anforderungen einer Schule voller Macher-Kinder, von denen die meisten noch dazu über gentechnisch verstärkte Intelligenz und Gesundheit verfügten, mußten erdrückend für ihn gewesen sein. Beim zweitenmal hatte Leisha sich weniger nachsichtig gezeigt. Drew hatte in keinem einzigen Fach eine positive Bewertung erhalten; er hatte einfach aufgehört, den Unterricht zu besuchen und statt dessen endlose Stunden allein mit seiner halbautomatischen Gitarre oder am Spielterminal zugebracht. Niemand

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