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Bettler 01 - Bettler in Spanien

Titel: Bettler 01 - Bettler in Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Aufregung. »Hier sind sie!«
    »Richard!«
    Leisha stürzte quer durchs Zimmer in seine Arme. Richard fing sie auf, lachte, und ließ sie wieder los. Leisha wandte sich augenblicklich Ada, seiner Frau zu, einer schlanken Polynesierin, die scheu lächelte. Ada tat sich mit Englisch immer noch schwer.
    Als Richard nach zwanzig Jahren einsamer, zielloser Wanderungen über den ganzen Globus zum erstenmal mit Ada auf dem Anwesen in New Mexico aufgetaucht war, hatte Leisha sich abwartend und vorsichtig verhalten. Sie und Richard waren nie mehr intim geworden; der Gedanke, mit Jennifers Ehemann zu schlafen, hatte Leisha abgeschreckt. Und Richard war ihr nie nahegetreten. Er hatte jahrelang um seine verlorenen Kinder Ricky und Najla getrauert; seine Trauer war so still und schwermütig gewesen, daß Leisha nicht gewußt hatte, wie sie darauf reagieren sollte. Sie war jedesmal erleichtert gewesen, wenn er mit nichts als seinem Kreditring und den Kleidern, die er am Leib trug, für Jahre nach Indien, Tibet, in die arktischen Kolonien oder die südamerikanische Zentralwüste verschwunden war – immer in ein Gebiet, das technisch möglichst rückständig war und so primitiv, wie es eine von Kenzo Yagai mit Energie versorgte Welt noch bieten konnte. Leisha erkundigte sich nie nach seinen Reisen, und er hatte von sich aus nie davon erzählt. Sie hatte den Verdacht, daß er sich unterwegs als Schläfer tarnte.
    Und dann, vor vier Jahren, war er zu einem seiner seltenen Besuche zurückgekehrt und hatte Ada mitgebracht. Seine Frau. Sie stammte aus einem der freiwilligen Reservate zur Kulturbewahrung im Südpazifik. Ada war schlank, hatte braune Haut und langes, dichtes schwarzes Haar und die Angewohnheit, den Kopf einzuziehen, wenn jemand sie ansprach. Sie konnte nicht Englisch. Und sie war fünfzehn Jahre alt.
    Leisha hatte sie freundlich aufgenommen, sich sofort ans Erlernen der samoanischen Sprache gemacht und versucht, die Tatsache zu verbergen, daß sie bis ins Innerste getroffen war. Nicht, weil Richard sie verschmäht hatte, sondern weil er alles verschmäht hatte, was sich einem Schlaflosen zur Auswahl stellen konnte: Bildung; Ambitioniertheit; Intellekt.
    Doch nach und nach hatte Leisha begriffen. Das Ausschlaggebende für Richard war nicht, daß Ada mit ihrer scheuen Art und stockenden Redeweise und ihrer jugendlichen Bewunderung für Richard so verschieden war von Leisha; das Ausschlaggebende war, daß Ada so verschieden von Jennifer war.
    Und Richard schien glücklich zu sein. Er hatte das getan, was Leisha verabsäumt hatte, und seinen eigenen Frieden mit seiner Schlaflosenvergangenheit gemacht. Und selbst wenn dieser Frieden in Leishas Augen aussah wie Kapitulation, konnte sie dann behaupten, daß ihre eigene Lösung – die schwindsüchtige Susan-Melling-Stiftung, die im letzten Jahr ganze zehn Antragsteller gehabt hatte – wirklich die bessere war?
    »Ich sehe dich, Leisha«, sagte Ada auf Englisch. »Ich sehe dich freudig.«
    »Ich sehe dich auch freudig«, sagte Leisha warmherzig. Für Ada war das eine lange Rede von großer intellektueller Aussagekraft.
    »Ich sehe dich freudig, Mirami Alice.« Mirami, hatte Richard einst erklärt, war ein Ausdruck höchsten Respekts für die ehrwürdigen Alten. Ada hatte sich rundweg – scheu und sanft, aber rundweg – geweigert zu glauben, daß Alice und Leisha Zwillinge waren.
    »Ich sehe dich auch freudig, Schätzchen«, sagte Alice. »Erinnerst du dich an Drew?«
    »Hallo!« sagte Drew und lächelte.
    Ada lächelte ihrerseits und wandte die Augen ab, wie es sich für eine verheiratete Frau bei einem nicht verwandten Mann gehörte.
    »Hallo, Drew!« sagte Richard mit offener, freundlicher Miene – eine so auffallende Veränderung zu dem gewohnten düsteren Schmerz in seinen Augen, wenn er zu Drew sprach, daß Leisha blinzelte. Sie hatte diesen Schmerz nie wirklich verstanden, denn Drew war eine Generation jünger als Richards verlorener Sohn. Und überdies war er ein Schläfer.
    »Stella sagte, drei Besucher.« Alices Stimme klang zittrig, was hieß, daß sie müde wurde.
    In dem Moment trat Stella durch die Tür, ein Baby auf dem Arm.
    »O Richard!« sagte Leisha. »O Richard…!«
    »Das ist Sean. Sean, nach meinem Vater.«
    Das Baby sah Richard geradezu unnatürlich ähnlich: niedrige Stirn, dichtes, dunkles Haar, dunkle Augen. Nur die kaffeebraune Haut verriet Adas Gene. Offenbar hatten sie dem Kleinen keinerlei Genveränderung mitgegeben. Leisha nahm das Baby von

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