Bettler 01 - Bettler in Spanien
Reparatur einer Energieumwandlungseinheit im Verwaltungsgebäude drei in einen Stromkreis geraten, was… Im großen und ganzen ist ihr Gewebe im Begriff sich zu regenerieren, wenngleich sehr langsam. Aber Teile ihres Nervensystems sind so zerstört, daß es nichts mehr zu regenerieren gibt. Sie wird nie wieder bei klarem Bewußtsein sein, sondern mehr oder weniger auf der Bewußtseinsstufe eines Tieres bleiben… Sie wird dauernde Pflege benötigen, einschließlich so grundlegender Dinge wie Fütterung, Windelwechsel und ständige Überwachung. Dazu kommt selbstverständlich, daß sie nie wieder ein produktives Mitglied der Gemeinschaft sein wird.«
Jennifer ließ den Blick von einem Ratsmitglied zum nächsten wandern. Miris Fäden knoteten sich zu gräßlichen Netzen. Hilflos zu sein, in allem und jedem von anderen abhängig, die Zeit und das Geld von anderen in Anspruch zu nehmen, ohne etwas dafür zu geben…
Ein Bettler.
Sie erkannte, worum es ging, und ihr Magen geriet ins Schlingern.
»Als Kind kannte ich einst eine Frau auf der Erde«, fuhr Jennifer fort, »sie war die Mutter einer meiner Freundinnen. Nach meiner Freundin bekam sie noch ein zweites Kind, das mit schweren Störungen des Nervensystems zur Welt kam. Als Teil der sogenannten Behandlung wurde von der Mutter verlangt, die Arme und Beine des Kindes in einem gewissen Krabbelrhythmus zu bewegen, um dem Gehirn dieses Verhaltensmuster einzuprägen und auf diese Weise die Entwicklung des Gehirns zu stimulieren. Die Mutter mußte das sechsmal täglich, jeweils eine Stunde lang, tun. Dazwischen fütterte sie das Kind, wusch es anschließend, sorgte für die Absaugung der Ausscheidungen aus dem Dickdarm, spielte vorgeschriebene Bandaufnahmen ab, um seine Sinne anzuregen, badete es und sprach dreimal täglich eine halbe Stunde lang ohne Unterbrechung zu ihm. Diese Frau hatte einst den Beruf einer Pianistin ausgeübt; nun rührte sie das Klavier nicht mehr an. Als das Kind vier Jahre alt war, kamen weitere Behandlungen dazu; viermal täglich mußte die Mutter das Kind genau fünfzehn Minuten lang im Wagen durch den Garten schieben, wobei dieselben Objekte in stets gleicher Aufeinanderfolge, aber bei unterschiedlichen Wetterbedingungen passiert werden mußten, wieder zum Zweck der Prägung gewisser Reaktionsmuster im Gehirn. Meine Freundin half ihrer Mutter bei alldem, aber nach einigen Jahren haßte sie es, auch nur nach Hause zu gehen. Genau wie der Ehemann und Vater, der schließlich überhaupt nicht mehr nach Hause kam. Sie waren beide nicht daheim, als eines Tages die Mutter ihr Kind und sich selbst erschoß.«
Jennifer schwieg kurz. Dann griff sie nach einem Blatt Papier. »Der Hohe Rat hat über ein Ersuchen des Ehemannes von Tabitha Selenski zu befinden, in dem um eine Beendigung ihrer Leiden gebeten wird. Wir müssen jetzt eine Entscheidung treffen.«
Ratsmitglied Letty Rubin, eine junge Frau mit eckigen Gesichtszügen, die wie aus Stein gemeißelt wirkten, sagte impulsiv: »Tabitha kann immer noch lächeln, immer noch ein wenig reagieren! Ich habe sie besucht, und sie versuchte, beim Klang meiner Stimme zu lächeln! Sie hat ein Anrecht auf ihr Leben, wie immer es jetzt auch aussieht!«
Jennifer sagte: »Das Geschwisterchen meiner Freundin damals konnte auch lächeln. Die Frage ist, ob wir das Recht haben, das Leben eines anderen Menschen der künftigen Pflege des ihren zu opfern.«
»Es wäre nicht ein ganzes Leben, das wir opfern würden! Wenn wir uns die Pflege teilen, zum Beispiel in Zweistundenschichten, dann wäre diese Last unter so vielen aufgeteilt, daß niemand wirklich ein Opfer bringen müßte!«
»Das Prinzip wäre aber ein für allemal vorhanden«, meinte Will Sandaleros. »Ein Anspruch gegenüber den Starken seitens der Schwachen, der sich auf nichts anderes als ebendiese Schwäche gründet. Eine Bettleranmaßung, die besagt, daß die Früchte der Arbeit eines Menschen denjenigen zu gehören haben, die selbst keine eigenen derartigen Früchte hervorbringen können oder wollen. Wir weigern uns zu akzeptieren, daß Untauglichkeit Grund für einen moralischen Anspruch gegenüber der Tauglichkeit sein kann.«
Ratsmitglied Jamison, ein Techniker, der fast so alt war wie Miris Großmutter und dessen einzige Genveränderung in der Schlaflosigkeit bestand, schüttelte den Kopf. Er hatte ein langes Gesicht mit einem eckigen, knorrigen Kinn. »Es handelt sich um menschliches Leben, Ratsmitglied Sandaleros. Ein Mitglied unserer
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