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Bettler 01 - Bettler in Spanien

Titel: Bettler 01 - Bettler in Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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der erst vor kurzem seine Frühjahrstournee beendet hatte und seit ein paar Tagen wieder zu Hause war. Wenn ja, dann würden die beiden wohl in Drews Zimmer sein; das von Miri hatte kein Bett.
    Die Känguruhratte verschwand in ihrem Erdhügel.
    »Leisha!«
    Sie drehte sich um. Eine Gestalt in grünen Shorts rannte ungestüm aus dem Tor des Anwesens und kam mit heftig arbeitenden Armen und Beinen auf Leisha zu.
    Acht, sieben, sechs, fünf, vier, drei…
    »Leisha, warum?«
    Leisha seufzte; die SuperS waren immer früher dran, als man erwartete. »Weil ich mich dazu entschlossen habe, Miri. Weil ich es will.«
    »Du willst? Du willst meine Großmutter gegen die Anklage des Landesverrats verteidigen? Du, Leisha, die das Standardwerk über Abraham Lincoln geschrieben hat?«
    Leisha wußte, das war keine zusammenhanglose Folgerung. In den vergangenen drei Monaten hatte sie begonnen, die Denkweise der SuperS ein wenig besser zu verstehen. Nicht bis zu dem Ausmaß, daß sie einem kompletten Gedankengebäude hätte folgen können, das aus Assoziationen, Schlußfolgerungen und Kopplungen gewoben war, zwischen denen Bündel aus lichten Träumen blitzten. Und selbstverständlich nicht bis zu dem Ausmaß, um selbst eines konstruieren zu können. Doch das wollte Leisha auch nicht. Diese Fähigkeit gehörte nicht zu dem, was sie war. Doch immerhin hatte sie bereits gelernt, die weggelassenen Kettenglieder einzufügen, wenn dieses Mädchen, das seit Alice zum wichtigsten Menschen für sie geworden war, zu ihr sprach. Zumindest konnte Leisha sie einfügen, wenn Miri nicht zu viele Glieder weggelassen hatte. So wie diesmal.
    »Setz dich, Miri. Ich möchte dir erklären, warum ich Jennifers Verteidigung übernommen habe. Ich warte schon eine ganze Weile hier draußen, daß du kommst und mich danach fragst.«
    »Ich bleibe stehen!«
    »Setz dich!« sagte Leisha, und nach einer Sekunde setzte sich Miri. Sie schubste sich das dunkle Haar aus der Stirn, auf der bereits nach diesem kurzen Lauf die Schweißperlen standen, und ließ sich wütend auf Leishas Felsen fallen, ohne sich auch nur mit einem flüchtigen Blick nach Skorpionen umzusehen.
    Es gab noch so viele Dinge auf Erden, von denen Miri nicht wußte, daß man davor auf der Hut sein mußte.
    Leisha hatte sich ihre Worte sorgfältig überlegt. »Miri, deine Großmutter und ich gehören beide derselben Generation an, der ersten Generation von Schlaflosen. Unsere Generation hat noch gewisse Dinge gemein mit der vorangegangenen, derjenigen, die uns geschaffen hat. Beide Generationen fanden heraus, daß es nicht möglich ist, sowohl eine Gleichheit aller Menschen zu haben – was nur ein anderer Name für das ist, was du Gemeinschaftssolidarität nennst –, als auch geistige Überlegenheit des Individuums. Wenn man den Menschen die freie Entscheidung überläßt, aus sich zu machen, was sie wollen, dann werden einige von ihnen zu Genies und andere werden zu mißgünstigen Bettlern. Manche werden zu einem Gewinn für sich und ihre Gemeinschaft, und andere schmarotzen und plündern, wo sie können. Die Gleichheit verschwindet. Man kann nicht beides haben, die Gleichheit aller und die Freiheit des Individuums, nach Erstklassigkeit zu streben.
    Also wählten zwei Generationen die Ungleichheit. Mein Vater wählte sie für mich. Kenzo Yagai wählte sie für die amerikanische Wirtschaft. Ein Mann namens Calvin Hawke, von dem du nichts weißt…«
    »O doch«, sagte Miri.
    Leisha lächelte. »Natürlich. Dumme Bemerkung. Nun, Hawke stellte sich an die Seite der ungleich Geborenen, um die Sache ein wenig auszugleichen, und zum Teufel mit der Erstklassigkeit. Von uns allen haben nur Tony Indivino und deine Großmutter versucht, eine Gemeinschaft zu schaffen, die der eigenen Solidarität – der ›Gleichheit‹ derer, die in die Gemeinschaft aufgenommen wurden – genausoviel Gewicht beimaß, wie den individuellen Höchstleistungen der Mitglieder. Jennifer hat Schiffbruch erlitten, weil das nicht erreicht werden kann. Und je mehr Jennifer scheiterte, desto fanatischer wurde sie in ihren Bestrebungen und desto eifriger gab sie Menschen, die außerhalb der Gemeinschaft standen, die Schuld für den Mißerfolg. Desto engere Fesseln legte sie ihrer Definition einer Gemeinschaft an. Desto weiter entfernte sie sich von jeglicher Ausgewogenheit. Aber ich nehme an, du weißt darüber mehr als ich.«
    Leisha wartete, aber Miri sagte nichts.
    »Doch obwohl Jennifer sich weiter und weiter von ihrem Traum

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