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Bettler 01 - Bettler in Spanien

Titel: Bettler 01 - Bettler in Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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den Eingeweiden verursachten; jeder Anwalt gewöhnt sich in zwanzig Jahren Praxis an Sonderlinge, Kriminelle, Allwissende, Helden, Scharlatane, Psychopathen, ewige Opfer und simple Dreckskerle. Man glaubte an das Gesetz, nicht an den Klienten.
    Doch kein Anwalt hatte je zuvor einem Klienten gegenübergesessen, der Schläfer in Schlaflose verwandeln konnte.
    Sie konzentrierte sich auf das flaue Gefühl und verjagte es durch schiere Willenskraft. »Fahren Sie fort, Doktor Walcott.«
    »Nicht, daß irgend jemand unsere Arbeit kopieren könnte«, sagte Walcott, immer noch mit dieser schwachen, dahinwelkenden Stimme. »Wir sind ja nicht einmal mehr dazugekommen, die letzten, sehr ausschlaggebenden Berechnungen hinzuzufügen, an denen Timmy und ich immer noch feilen. Aber das alles ist unser Werk, es gehört uns, und wir wollen es zurück. Timmy hat dieser Zusammenarbeit sogar etliche Kammermusikproben geopfert. Und natürlich könnte es eines Tages einen Preis für Medizin dafür geben!«
    Leisha starrte in Walcotts Gesicht. Eine Veränderung in der Körperchemie, durch die es zu einer Transformation der menschlichen Rasse kommen konnte, und dieses durchscheinende Männchen schien dabei in erster Linie an Rosenbüsche, Piratenromane, Auszeichnungen und Kammermusik zu denken. Sie sagte: »Sie möchten also, daß Ihnen ein Anwalt verrät, wie es in rechtlicher Hinsicht um Sie steht. Um Sie persönlich.«
    »Ja. Und wir brauchen einen Rechtsbeistand, der mich und Timmy der Bank oder Samplice gegenüber vertritt, falls sich das als notwendig herausstellen sollte.« Plötzlich sah er sie wieder mit dieser irritierenden Direktheit an, derer er zwar fähig war, die er aber nicht lange durchhalten konnte. »Wir haben uns an Sie gewandt, weil Sie eine von den Schlaflosen sind. Und weil Sie Leisha Camden sind. Jeder weiß, daß Sie nicht viel davon halten, die menschliche Rasse in zwei sogenannte Spezies zu teilen, und natürlich würde unsere Arbeit aufräumen mit dieser Art von… dieser Art von…« Er schwenkte die Zeitung mit dem Bild von Leisha und Calvin Hawke. »Und natürlich bleibt Diebstahl Diebstahl, selbst innerhalb ein und derselben Firma.«
    »Samplice hat aber doch Ihre Forschungsergebnisse nicht gestohlen, Doktor Walcott. Und die Bank auch nicht.«
    »Wer hat dann…?«
    »Ich habe keine Ahnung. Aber ich hätte gern Sie und Mister Herlinger morgen früh um acht Uhr hier gesprochen. In der Zwischenzeit – und das ist ganz wichtig! – legen Sie nichts schriftlich nieder. Nirgends.«
    »Ich verstehe.«
    Sie sagte, ohne es zu merken, ehe die Worte heraußen waren: »Schläfer zu Schlaflosen machen…«
    »Ja«, sagte er, »nun ja.« Er wandte den Blick von ihrem Gesicht ab und betrachtete die exotischen Pflanzen in Leishas ansonsten nach rein funktionellen Gesichtspunkten eingerichtetem Büro – die Blüten in ihren üppigen, wilden oder mondbleichen Farben, die unter dem künstlichen Sonnenlicht in ihrem maßgearbeiteten Becken in der Ecke wucherten.
     
    »Alles einwandfrei«, sagte Kevin. Er kam aus seinem Arbeitszimmer in das von Leisha, einen Computerausdruck in der Hand.
    Sie sah von ihrem Schriftsatz für den Fall Simpson gegen Küstenfischerei auf. Die Blumen, die Alice unverdrossen jeden Tag schickte, standen auf ihrem Schreibtisch: Sonnenblumen und Maßliebchen und eine genmodifizierte Geranienart. Die Dinger verwelkten nie, ehe die nächste Sendung eintraf. Selbst im Winter war das Apartment mit kalifornischen Blumen gefüllt, die Leisha eigentlich nicht mochte; doch sie einfach wegzuwerfen, das brachte sie auch nicht übers Herz.
    Das Licht von den Deckenlampen erhellte Kevins glänzendes braunes Haar und seine kraftvollen, glatten Gesichtszüge. Er sah jünger aus als siebenundvierzig, ja sogar jünger als Leisha, obwohl er vier Jahre älter war als sie. Er sah fad aus, hatte Alice einmal zu Leisha gemeint, aber sie hatte es nur einmal gesagt.
    »Alles einwandfrei?«
    »Die gesamten Daten«, bestätigte er mit einem Nicken. »Walcott studierte an der Staatlichen Universität New York in Potsdam und an der Universität von Deflores. Keine überragenden Hochschulen, aber akzeptabel. Mittelmäßiger Student. Zwei kleinere Publikationen, kein Eintrag im Strafregister, keine Schulden bei der Finanzbehörde. Zwei Lehraufträge, zwei Anstellungen in der Forschung, keine gravierenden Differenzen, als er sie jeweils verließ – jedenfalls keine lautgewordenen –, also ist er vielleicht einfach ein unruhiger

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