Bettler 01 - Bettler in Spanien
leer, ungeachtet der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Falles. Doch die Gesetzmäßigkeit der Fischwanderungen lieferte keine Schlagzeilen bei den Nachrichtenmedien. Außer den gegnerischen Parteien und ihren Anwälten sah Leisha einen Reporter, Vertreter der lokalen und bundesweiten Umweltbehörden, drei junge Männer, von denen sie annahm, daß es sich um Jura- oder Ökologiestudenten handelte, einen Exrichter und drei Zeugen.
Und Richard Keller, der erst am folgenden Tag als Leishas Sachverständiger aussagen sollte.
Er saß im hinteren Teil des Saales, so aufrecht, als hätte er zu viele Brainies geschluckt – ein untersetzter Mann, umgeben von vier Leibwächtern. Das kam wohl dabei heraus, wenn man jahraus, jahrein in Sanctuary lebte: der Rest der Welt sah dann noch bedrohlicher aus, als er tatsächlich war. Kein Lächeln trat auf Richards Lippen, als sich ihre Blicke trafen. Etwas in Leishas Brust wurde eiskalt.
»Können wir jetzt endlich beginnen, Frau Anwältin?«
»Ja, Euer Ehren. Ich rufe Carl Tremolia in den Zeugenstand.«
Tremolia, ein stämmiger Fischer, trat als Zeuge der Gegenseite auf. Er stapfte zwischen den Sitzreihen hindurch nach vorn, und Leishas Klient zog finster die Brauen zusammen: Tremolia trug eine elektronische Anstecknadel von Wir schlafen! am Aufschlag. Es gab einen kleinen Tumult an der Tür, wo jemand in hartnäckigem Tonfall auf den Gerichtsdiener einsprach.
»Euer Ehren, ich ersuche das Gericht, den Zeugen anzuweisen, seine Anstecknadel zu entfernen«, sagte Leisha. »Im Hinblick auf die besonders gelagerten Sachverhalte bei diesem Fall sind politische Äußerungen des Zeugen, ob sie mündlich oder in Form von Accessoires an der Kleidung erfolgen, als dem Verfahren abträglich zu betrachten.«
»Entfernen Sie die Nadel«, sagte der Richter. Der Fischer riß sie sich vom Aufschlag. »Sie können mich zwingen, die Nadel runterzunehmen, aber Sie können mich nicht zwingen, Sachen von Schlaflosen zu kaufen!«
»Streichen aus dem Protokoll«, sagte der Richter zum Computer. »Mister Tremolia, wenn Sie sich nicht darauf beschränken, ausschließlich auf Fragen zu antworten, die Ihnen gestellt werden, muß ich Sie wegen Mißachtung des Gerichts… Was ist denn jetzt wieder, Gerichtsdiener?«
»Verzeihung, Euer Ehren, aber ich habe Miss Camden eine Mitteilung zu übergeben. Persönlich und dringend.«
Er händigte Leisha ein Blatt Papier aus, auf dem stand: Bitte um sofortigen Anruf im Büro. Kevin Baker. Dringend. Persönlich. »Euer Ehren…«
Der Richter seufzte. »Gehen Sie. Gehen Sie schon!«
Auf dem Korridor zog sie ein ComLink aus der Aktentasche. Kevins Gesicht erschien auf dem Miniaturbildschirm.
»Leisha, es handelt sich um Walcott…«
»Ich spreche von einem Gerät ohne Abschirmung, Kevin…«
»Ich weiß! Das ist egal, es ist ohnedies offiziell. Verdammt, in ein paar Stunden wird die ganze Welt es wissen! Walcott kann dieses Patent nicht anmelden.«
»Warum nicht? Samplice…«
»Vergiß Samplice. Die Patente wurden bereits vor zwei Monaten angemeldet. Ordnungsgemäß, blitzsauber, nicht daran zu rütteln. Auf den Namen von Sanctuary, amtlich eingetragene Aktiengesellschaft… Leisha?«
»Ich bin noch da«, sagte sie benommen. Kevin hatte ihr immer wieder versichert, daß die Akten des Staatlichen Patentamtes absolut fälschungssicher waren. Es gab einfach zu viele Querverbindungen, elektronische und schriftlich zu Papier gebrachte Aufzeichnungen und in nicht vernetzten Computern gespeicherte Sicherheitskopien.
Kevin sagte: »Und das ist nicht alles, Leisha. Timothy Herlinger ist tot.«
»Tot? Ich habe ihn vor einer halben Stunde auf seinem Motorroller davonfahren sehen!«
»Er wurde von einem Wagen niedergestoßen. Die Deflektorenschilde an seinem Roller haben versagt. Nur wenige Minuten nach dem Unfall kam zufällig ein Bulle vorbei und gab die Sache gleich ins MedNet ein. Natürlich lasse ich alle Netze nach maßgeblichen Namen abhören.«
»Wer hat ihn angefahren?« fragte Leisha mit unsicherer Stimme.
»Eine Frau namens Stacy Hillman, wohnhaft in Barrington. Ihre Angaben. Meine Zauberkünstler lassen schon die Computer heißlaufen, mal sehen, was wir über die Dame rauskriegen. Aber es sieht tatsächlich nach einem Unfall aus.«
»Deflektorenschilde an Motorrollern sind Y-Energiekegel. Sie versagen nicht. Das ist eines der Hauptargumente bei ihrer Vermarktung. Sie versagen einfach nicht, Kevin! Nicht einmal an solchem Krempel wie einem Wir
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