Bettler 01 - Bettler in Spanien
Walcott, in deren töricht geballten Fäusten acht zusätzliche wache Stunden für Hunderttausende Menschen steckten, suchten in ihren elektronischen Notebooks kopflos nach dem Arbeitsvertrag.
»Haben Sie ihn?« fragte Leisha knapp. »Nun gut, zweiter Absatz, Zeile drei…« Sie ging mit den Anwesenden den mangelhaft formulierten Text des Vertrages durch und danach die Präzedenzfälle zum Thema des geteilten wissenschaftlichen Urheberrechts und den Markstein aller entsprechenden Entscheidungen, das Urteil im Fall Boeing gegen Fain. Seeley fixierte mit seinen harten Augen den Bildschirm und trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Lee blies sich erbost auf. Walcott saß mit einem kleinen, arroganten Lächeln auf den Lippen da, und einzig Herlinger, der fünfundzwanzigjährige Assistent von Walcott, lauschte Leishas Worten aufmerksam und sichtlich in der Lage, ihren Gedankengängen zu folgen. Er hatte Leisha überrascht: mit seiner beginnenden Glatze und seinem breiten, stämmigen Körperbau hätte man Herlinger für einen brutalen Schläger halten können, wäre da nicht eine Art schmerzliche Würde gewesen, eine stoische Desillusioniertheit, die weder zu seinem jugendlichen Alter noch zu Walcotts verbohrtem, exzentrischem Pseudogenie zu passen schien. Die beiden waren ein ziemlich unmögliches Team.
»… und so würde ich, was die Patentrechte betrifft, eine außergerichtliche Regelung vorschlagen.«
Lee fing wieder an sich aufzuplustern, und Seeley sagte rasch: »Was für eine Art von Regelung? Eine prozentuelle Beteiligung oder eine Abschlagssumme?«
Leisha ließ sich nichts anmerken, aber jetzt hatte sie ihn da, wo sie ihn haben wollte. »Das müßten wir gemeinsam ausarbeiten, Mister Seeley.«
»Wenn Sie meinen«, brauste Lee lautstark auf, »daß Sie mir etwas wegnehmen können, was meiner Firma gehört…!«
Seeley wandte sich kühl an ihn: »Ich glaube, die Aktionäre könnten anderer Meinung sein, was die Eigentumsverhältnisse bei dieser Firma betreffen.«
Die ›Aktionäre‹ – dazu gehörte auch Sanctuary, doch Lee mußte nicht unbedingt wissen, daß Leisha darüber informiert war, und so warteten sie beide, Leisha und Seeley, darauf, daß es ihm zu Bewußtsein kam. Als es endlich soweit war, starrte er Leisha an und verzog sein kleines Schmollmündchen zu einem gehässigen Grinsen. Es war lange her, daß sie jemanden so sehr verabscheut hatte.
»Vielleicht«, sagte Lee, »könnten wir über eine Regelung reden. Zu meinen Bedingungen.«
»Fein«, sagte Leisha. »Reden wir über die Bedingungen.«
Sie hatte ihn.
Hinterher begleitete Walcott Leisha und ihren Leibwächter zum Wagen. »Werden sie darauf einsteigen?«
»O ja«, antwortete sie. »Ich bin sicher. Sie haben eine interessante Kollegensammlung, Herr Doktor.«
Er sah sie wachsam von der Seite an.
»Ihrem Direktor scheint regelrecht entfallen zu sein, daß er eine Aktiengesellschaft leitet, der Firmenjurist ist außerstande, einen ordentlichen Klasse-Sechs-Dienstnehmervertrag aufzusetzen, und Ihr Assistent bei der Schlaflosen-Genforschung braust auf einem Wir schlafen! -Roller davon!«
Walcott machte eine affektierte Handbewegung. »Er ist jung. Kann sich keinen Wagen leisten. Und falls diese Forschungsergebnisse den Durchbruch schaffen, dann gibt es ohnedies keine Wir schlafen! -Bewegung mehr. Niemand wird mehr schlafen müssen.«
»Mit Ausnahme jener, die sich die Behandlung nicht leisten können. Oder einen Wagen.«
Walcott musterte sie belustigt. »Sollten Sie nicht eigentlich für die Gegenseite argumentieren, Miss Camden? Für die wirtschaftliche Elite? Schließlich können es sich auch nur wenige Leute leisten, an ihren Embryos in vitro eine gentechnische Veränderung vornehmen zu lassen, die Schlaflosigkeit bewirkt.«
»Ich habe nicht argumentiert, Doktor Walcott. Ich habe nur eine fälschliche Äußerung Ihrerseits korrigiert.« Auf seine eigene, weniger unverhohlene Weise war er genauso widerlich wie Lee.
Walcott wiederholte seine eitle Handbewegung. »Ach ja, Sie können vermutlich nicht anders. Einmal ein Anwalt, immer ein Anwalt…«
Sie schlug die Wagentür so temperamentvoll zu, daß ihr Leibwächter zusammenzuckte.
Sie war spät dran, als sie ins Gericht kam. Der Richter blickte bereits nervös um sich. »Miss Camden?«
»Bitte um Verzeihung, Euer Ehren. Meine Verspätung ließ sich nicht vermeiden.«
»Vermeiden Sie sie in Zukunft, Frau Anwältin.«
»Jawohl, Euer Ehren.« Der Gerichtssaal war fast
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