Bettler 03 - Bettlers Ritt
mithört!«
»Wer sich vorübergehend in den Klauen religiöser Leidenschaft befindet, hat keinen Sinn für Humor. Auch wenn das ›vorübergehend‹ hier schon sieben Jahre dauert. Wie geht’s dir, Lieber?«
»Ich fühle mich einsam.« Jackson betrachtete Vickis Gesicht auf dem kleinen tragbaren Schirm genauer. »Und wie geht’s dir? Du siehst… Es ist etwas passiert!«
»Ja.« Vicki nickte. Ihre violetten Augen reflektierten das Licht wie dunkler Wein.
»Jemand hat ein Gegenmittel gefunden!« rief Jackson.
»Nein. Das nicht. Obwohl man bei K-C immerzu versichert, knapp vor einem Erfolg zu stehen. Es handelt sich um etwas anderes – ich merke, du hast die aktuellen Nachrichten nicht gesehen. Die medizinische Fakultät der Universität Chicago hat ein Bulletin herausgegeben.«
»Ein Bulletin? Worüber?«
»Über Eizellen und Sperma. Tiefgefroren seit sieben Jahren, bis sie letzte Woche per zeitaktiviertem Rob in Chicago ankamen.«
Ein langsames Dröhnen erfüllte Jacksons Ohren. Drüben, jenseits der Schatten, öffnete sich die Tür des Nutzer-Gebäudes erneut. »Eizellen und Sperma. Wessen?«
»Rate mal, Jackson. Von allen SuperSchlaflosen. Miranda Sharifi, Terry Mwakambe, Christina Demetrios, Jonathan Markowitz… von all den toten Genies, die wir Normalos einfach nicht nachbauen konnten.«
Jackson sagte nichts. Eine kleine Gestalt glitt aus der Tür und in die langen Schatten der Abenddämmerung.
»In Chicago«, fuhr Vicki fort, »wurden vor hundertfünfundzwanzig Jahren die ersten Schlaflosen entwickelt. Leisha Camden, Kevin Baker, Richard Keller… Miranda Sharifi muß im Grunde doch eine sentimentale Ader gehabt haben.«
»Also beginnt alles von neuem.«
»Wenn die Eizellen befruchtet werden, beginnt alles von neuem. Und die Diskussionen werden hitzig sein. Brauchen wir wirklich diese dei aus wiederentdeckten machinae? Oder sind wir besser dran, wenn wir allein weiterwursteln?«
Die kleine Gestalt war Dirk. Durch seine Zoomlinsen konnte Jackson sehen, daß der Junge völlig verängstigt war, aber zugleich auch voller Freude, voller Stolz auf sich selbst, und darauf brannte, wieder hineinzulaufen. Mit wilden Gesten bedeutete er Jackson, ins Gebäude zu kommen.
»Vicki, ich muß gehen. Sie sind bereit, mich einzulassen.«
»So bald schon?«
»So bald schon. Theresa kann es immer besser.«
»Die heilige Theresa… Also gut, Jackson, geh und laß dich von ihr bekehren. Ich liebe dich.« Das Bild erlosch.
Dirk winkte jetzt schon mit beiden Händen. Jackson steckte das ComLink weg, winkte zurück und holte den Gleiter. Das Rüstzeug, das die Menschen lehren sollte, ihr eigenes Leben wieder in die Hand zu nehmen, stand bereit: Arzneien, Lernholos, PflegeRobs, Saatgut, Kristallbibliothek. Das alles folgte auf dem Gleiter dem gehemmten, angsterfüllten Dirk, der sich in Treeboy verwandelt hatte und zum Bettler geworden war, weil nur mit leeren, offenen Händen einer den anderen erreichen konnte.
Doktor Jackson Aranow setzte sich mit seinen Gaben in Bewegung.
NACHWORT
von
EARL G. INGERSOLL
FALLS ES INTELLIGENTES
LEBEN AUF DIESEM
PLANETEN GIBT,
KANN ES ÜBERLEBEN?
Die Bettler -Romane von
Nancy Kress
Mit dem Erscheinen von Bettlers Ritt Ende 1996 hat Nancy Kress ihre provokative Bettler -Trilogie abgeschlossen. Ihren eigenen Worten nach beabsichtigte sie nie, ›eine Trilogie zu begehen‹, denn als sie ihre mit Hugo und Nebula-Award ausgezeichnete Novelle ›Bettler in Spanien‹ beendet hatte, meinte sie noch, am Ende ihres gemeinsamen Weges mit Leisha Camden und den Schlaflosen angekommen zu sein. Doch schon der erste Roman der Trilogie, Bettler in Spanien, zeigte, daß sie sich geirrt hatte. Und dann, als sie wiederum annahm, die Auswirkungen und Verflechtungen dieser ›tapferen neuen Welt‹ ausgeschöpft zu haben, überzeugten ihre Leser sie bei SF-Cons und anderen Anlässen, daß sie nicht am Ende angelangt war, sondern nur innegehalten hatte: sie plante doch gewiß eine Fortsetzung, bekam sie da zu hören; in den letzten Kapiteln von Bettler in Spanien hätte sie so vieles in der Schwebe gelassen, daß sie einfach geplant haben müsse, die Geschichte weiterzuspinnen! Nach der Beendigung von Bettler und Sucher glaubte sie wiederum, das Buch über die SuperSchlaflosen und die ältere Generation der Schlaflosen nunmehr schließen zu können, und diesmal war es die Unberechenbarkeit des Verlagsgeschäftes, die ihr bewies, daß sie schon wieder
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