Bettler 03 - Bettlers Ritt
im Irrtum war: Weil ihr SF-Roman/Thriller Oaths and Miracles (dt. Verico Target) von der Thematik her Neuland für sie war und somit ein gewisses Risiko für den Verlag darstellte, bot man ihr einen Vertrag dafür nur unter der Bedingung an, daß sie einen dritten Roman für die Bettler-Serie schreiben würde. Als sie vor kurzem gefragt wurde, ob Bettlers Ritt zu einem vierten und möglicherweise fünften Buch führen könnte, weigerte sie sich eisern, auch nur die Möglichkeit einer Serie in Betracht zu ziehen: Nicht erst einmal war es vorgekommen, daß der Autor einer SF- oder Fantasy-Serie schließlich alle Mühe hatte, sich aus der Gefangenschaft seiner eigenen Phantasiewelt zu befreien. Ohne den Schluß des dritten Bettler -Romanes – und damit der Trilogie als Ganzes – vorwegzunehmen, kann gesagt werden, daß Nancy Kress alles in ihrer Macht Stehende getan zu haben scheint, um sich die Möglichkeit einer nochmaligen Rückkehr in die zukünftige Welt ihrer Bettler -Romane zu verbauen. Und doch…
Bettler in Spanien setzt in der rasch näherkommenden Zukunft des Jahres 2008 ein, und die Fortsetzung Bettler und Sucher führt den Leser in die etwas fernere Zukunft des Jahres 2115. Der neue Roman, Bettlers Ritt, beginnt Ende 2120, nur ein paar Jahre später, und verabschiedet sich vom Leser des Epilogs im Jahr 2128. Bei etlichen Gelegenheiten hat Nancy Kress betont, daß es nicht Aufgabe der SF ist, die Zukunft vorauszusagen, dennoch hält sich diese Trilogie an die lange Tradition spekulativer Fiktion, die versucht, aus vorherrschenden Trends der Gegenwart mögliche Versionen einer Zukunft zu extrapolieren. In diesen drei Romanen legt Nancy Kress ihr Hauptaugenmerk auf die revolutionierenden Entdeckungen auf dem Gebiet der Mikrobiologie und deren Anwendungsmöglichkeiten in der Gentechnik, die versprechen und drohen, unsere Welt völlig umzukrempeln. Wie die Autorin kürzlich in einem Interview vermutete, wird das einundzwanzigste Jahrhundert, vergleichbar den umwälzenden Erkenntnissen auf dem Gebiet der Physik im zwanzigsten, unser Verständnis der Zellbiologie explosionsartig erweitern.
Nancy Kress hat angedeutet, daß ihr Interesse an der Schlaftheorie und der Möglichkeit eines Lebens ohne Schlaf in den achtziger Jahren seinen Anfang nahm. Obwohl man im allgemeinen zögert, aus fiktiven Werken biographische Züge herauslesen zu wollen, gibt Nancy Kress genügend Hinweise darauf, daß ihr Interesse am Auskommen ohne Schlaf seinen Ursprung im übervollen Stundenplan einer alleinerziehenden Mutter zweier Söhne im Teenageralter haben könnte, die sich als Werbetexterin bei Xerox und außerordentliche Dozentin ihren Lebensunterhalt verdiente, während ihre schriftstellerische Arbeit mit dem Hugo und dem Nebula-Award ausgezeichnet wurde. Ärgerlich über die stark eingeschränkte Zeit, die ihr zum Schreiben blieb, konzentrierte sie sich immer mehr auf das Drittel unseres Lebens, das wir schlafend zubringen – und das in ihren Augen eine wahre Goldmine für ein erweitertes Zeitpotential wäre. Nachdem sie das Konzept für eine solche Möglichkeit entworfen hatte, wandte sie sich den faszinierenden Konsequenzen zu, die diese fehlende ›Zeitverschwendung‹ in Form von Schlaf für ein Menschenleben haben würde. Was wäre die Folge, wenn gentechnisch mit hoher Intelligenz ausgestattete Menschen den Tag vierundzwanzig Stunden lang für die Entfaltung dieser Intelligenz verwenden könnten – ganz besonders während der entscheidenden ersten Lebensjahre, die das Fenster für die Entwicklung ohnehin nur so kurz offenhalten?
Diese Frage brachte Nancy Kress dazu, sich mit der Theorie des Schlafes zu beschäftigen, und sie kam dabei zu der Überzeugung, daß der Schlaf ein bloßes Relikt aus den primitiven Stadien unserer Entwicklung ist. Die Vermutung der Theoretiker geht in die Richtung, daß dem Schlaf eine Schutzfunktion zukam, durch die unsere frühen Vorfahren instinktiv dazu gebracht wurden, sich in ein Versteck zurückzuziehen, wo sie zwar dem Zugriff nächtlicher Räuber einigermaßen entzogen, jedoch nicht so völlig ohne Bewußtsein waren, daß ein tatsächlicher Angriff sie nicht wecken konnte. Die Theorie besagt außerdem, daß die frühen Menschen durch das Bombardement der Großhirnrinde mit elektrischen Reizen zur Erzeugung von Träumen vom allzu tiefen Schlaf abgehalten wurden, der sie zu einem Festmahl für, sagen wir, Säbelzahntiger hätte machen können. Dieser Sicherheitsmechanismus des
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