Beutewelt 01 - Bürger 1-564398B-278843
Informatiker stutzte zwar als ihm Frank leidenschaftlich seine Pläne offenbarte und stöhnte vor sich hin, da ihn der junge Heißsporn gerade bei einer wichtigen anderen Arbeit unterbrochen hatte, doch dann tat er ihm den Gefallen und drang in die Welt der Datenbanken und elektronischen Baupläne vor.
HOK war glücklicherweise eine Forschernatur und nach etwa einer halben Stunde war er selbst von dieser Recherche irgendwie fasziniert.
Doch es dauerte bis er tiefergehende Informationen gefunden hatte. Paris war wirklich mehr untertunnelt als die meisten anderen Städte in Europa. Mittlerweile lebten 16 Millionen Menschen in der Metropole und die Stadt erstickte in ihrem eigenen Dreck und Gestank.
Seit 1850 die Pariser Kanalisation in großem Stil ausgebaut und später das umfassende Metro-System gegraben worden war, stand die Hauptstadt des ehemaligen Frankreich auf einem Netzwerk kilometerlanger Gänge.
Schon 2010 konnte das U-Bahn-Netz nicht mehr erweitert werden, weil man bei den Versuchen immer wieder auf neue stillgelegte Tunnel, Katakomben und Kanäle stieß.
Nach der Weltwirtschaftskrise 2012/13 legte man in den kommenden Jahren weiterhin viele Metro-Linien in Folge von massiven Einsparmaßnahmen und Umverteilungen still. Nach 2018 wurde es, sehr zum Ärger der Einwohner der Stadt, noch schlimmer.
Heute waren viele alte U-Bahn-Schächte ungenutzt und führten ins dunkle Nirgendwo. Das Tunnelnetz war so riesig, dass selbst offizielle Bau- und Lagepläne die zahlreichen Wurmlöcher unter der Stadt kaum noch vollständig wiedergeben konnten.
HOK kramte einige interessante elektronische Datenbänke hervor und wühlte sich in gewohnter Art durch die Berge neuer Informationen. Die Stunden vergingen und HOK war bald wieder komplett abwesend.
„Bis morgen suche ich dir ein paar nette Tunnel und Kanäle raus, die so nahe an Wechslers Redepult ranführen werden, dass du ihn an den Füßen kitzeln kannst. Ob die Pläne allerdings noch alle aktuell sind, kann ich nicht sagen. Eine Garantie kann ich dir nicht geben. Es ist einiges in den letzten Jahren verändert worden. Einige Umbauten und viele alte Kanäle, die nicht mehr genutzt werden“, sagte er beiläufig.
Kohlhaas wartete gespannt auf Ergebnisse und malte sich schon Einzelheiten seines Attentates vor seinem geistigen Auge aus.
„Ja, ist schon klar. Ich gehe jetzt. Vielen Dank, Mann!“ antwortete Frank und verließ HOKs Haus mit einem zufriedenen Lächeln.
Nach etwa einer Woche hatten HOK und Frank einen detaillierten Plan ausgearbeitet, der den angehenden
Rebellen durch ein Tunnelsystem von fast drei Kilometer Länge führen sollte.
Die weltberühmte Prachtstrasse von Paris, die früher „Avenue des Champs-Elysées“ hieß, war seit 2018 in „Strasse der Humanität“ umgetauft worden und den Triumphbogen, eines der alten Wahrzeichen der Stadt, hatte man 2019 abgerissen, ebenso wie man den Eifelturm demontiert hatte. An Stelle des „Arc de Triomphe“ hatten die Mächtigen ein modernes „Kunstwerk“ aus Stahlbeton mit dem Namen „Tempel der Toleranz“ errichten lassen.
Die „Strasse der Humanität“ war ebenfalls stark umgebaut worden, wobei man viel Wert darauf gelegt hatte, möglichst die alten historischen Häuser abzureißen und durch Betongebäude im Einheitslook zu ersetzen.
Nach anfänglichen Protesten hatten sich die Bürger der Stadt Paris daran gewöhnt. Immerhin hatten sie in der Regel andere Sorgen, als sich um den Erhalt alter Wahrzeichen zu kümmern.
Es gab weitere Pläne, die Stadt noch gründlicher von ihrem alten Gesicht zu trennen, denn moderne Sklaven benötigten keine eigene Identität oder gar Heimatgefühle.
Die Parade und Heerschau der GCF-Besatzungstruppen sollte am 01.03.2029 auf der „Strasse der Humanität“ stattfinden, ebenso weitere Spektakel zur leichteren Unterhaltung. Ein Teil der riesigen alten Strasse wurde jedoch zum Sperrgebiet erklärt und war für niemanden zugänglich. Etwa dreißig Meter vor dem Gebilde „Tempel der Toleranz“ sollte die Rednerbühne aufgebaut werden, auf der Leon-Jack Wechsler die Feierlichkeiten eröffnete.
Die in den Strassen um die Sperrzone herum verteilten Massen sollten den Politiker nur auf riesigen Videoleinwänden zu sehen bekommen, die zu Hunderten entlang der „Strasse der Humanität“ und in der ganzen Stadt aufgestellt werden würden.
Was das Volk aus der Nähe bewundern durfte, im nicht gesperrten Teil der Allee, waren die Paraden von Militär und
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