Bevor der Morgen graut
machen?«
»Ich muss mit Emil Edilon eine Antwort auf diese neue Frage finden. Ich habe ihn angerufen, seine Helfershelfer sind in Aktion.«
»Okay«, sagte Birkir, »dann fahre ich. Du machst dann das Protokoll hier fertig.«
Gunnar nickte.
Birkir sagte zu Ragnar: »Du erzählst jetzt diese ganze Geschichte noch einmal in allen Einzelheiten, und ihr fertigt zusammen ein Protokoll an, das du dann unterschreibst und damit bestätigst, dass alles stimmt. Mein Kollege Gunnar hier wird sich nicht wieder aufregen, du kannst also ganz ruhig sein. Ist das in Ordnung so?«
Gunnar versuchte, vertrauenerweckend zu wirken, und lächelte so breit, dass die Zahnlücke deutlich zum Vorschein kam. Ragnar schaute ihn etwas ängstlich an, nickte dann aber zustimmend.
18:30
B irkir, Elías und Dóra holten das Gewehr. Drei Kriminalbeamte waren eine relativ große Abordnung für so eine schlichte Aktion, aber alles musste seine Ordnung haben, und außerdem mussten sie Ragnars Frau in Kenntnis setzen, Bára Vilhjálmsdóttir, und deswegen kam Dóra mit. Birkir ließ sie mit dem blauen Schlüssel ins Haus, und sie stiegen die paar Stufen zur Wohnungstür hinauf. Auf das erste Klingeln gab es keine Reaktion, aber beim zweiten Versuch hörten sie, wie jemand von drinnen rief: »Herein.«
Birkir öffnete die Tür für Dóra. »Du weißt, was du zu sagen hast«, sagte er. »Sieh zu, dass du die Lage im Griff behältst und alles Nötige veranlasst.«
Dóra nickte. Sie war an solche Aufgaben gewöhnt. Es konnte sein, dass hier ein Arzt hinzugezogen werden musste.
Birkir und Elías gingen hinunter in den Keller, Birkir öffnete die Tür des Abstellraums E 1 mit dem gelben Schlüssel, und Elías betrat den Raum als Erster. Das Gewehr befand sich in einer Tasche, die an der Wand hing, und auf einem Regal lag die Munition in Originalverpackung.
Birkir schaute sich das Schloss an der Kellertür an. Es handelte sich keineswegs um eine ordentliche, stabile Tür, sondern hier konnte man sich mit einem kräftigen Tritt Zugang verschaffen. So durften Schusswaffen eigentlich nicht aufbewahrt werden, aber darum ging es im Augenblick nicht. Elías machte ein paar Fotos und verließ dann den Keller mit dem Gewehr und der Munition.
Birkir blieb noch zurück und sah sich um. Auf einem Regal lagen Gartenwerkzeuge und Tüten mit Dünger, auf einem anderen viele Bücher über Pflanzen und Gärtnern. Sie schienen viel gelesen worden zu sein, einige waren zerfleddert und dreckig. Ansonsten war der Keller voll mit all dem Kram, der sich in solchenRäumen anzusammeln pflegt, wenn Leute lange am gleichen Ort wohnen. Abgelegte Kleidung, Schuhe, Ordner mit alten Steuerunterlagen, ein alter Plattenspieler und Schallplatten. Farbdosen und kaputte Pinsel. Zwei Kartons mit Weihnachtsschmuck. Ein Schlafsack, ein Zelt und alte Langlaufskier.
Birkir ging alles durch und überzeugte sich, dass es dort keine weiteren Schusswaffen oder Munition gab. Zum Schluss kniete er sich auf den Boden und warf einen Blick unter das unterste Regal. Dort waren nur Staub und Dreck und eine weitere Schrotpatrone, die wohl aus dem Regal gefallen war. So eine Patrone hatte einen Mann das Leben gekostet und würde zwei weitere Personen ins Unglück stürzen. Er streckte die Hand aus, hob die Patrone auf und steckte sie in die Jackentasche, während er aufstand. Dann ging er wieder nach oben in die Wohnung.
Dóra hatte einen Arzt und auch einen Krankenwagen rufen müssen. Die Frau konnte nicht ohne Hilfe aus dem Sessel aufstehen, und es war undenkbar, sie allein und hilflos in der Wohnung zurückzulassen. Der Arzt hatte extrem hohen Blutdruck festgestellt.
Dóra hatte keine Ahnung, wie viel Bára von der Geschichte begriff, welchen Anteil also ihr Ehemann am Tod ihres Vaters hatte. Sie war wie versteinert und zeigte keinerlei Reaktion, wenn man sie ansprach, sie stöhnte nur und atmete unregelmäßig. Der Arzt befürchtete einen möglichen Herzkollaps, wenn ihr noch mehr zugemutet werden würde. Nicht weniger als vier Sanitäter waren nötig, um sie hinauszutragen.
20:30
B irkir war schon wieder im Kommissariat, als Jóhann endlich anrief. Die Verbindung war schlecht.
Birkir fragte Jóhann, ob Hjördís sich bei ihm gemeldet habe.
»Nein, wieso denn?« Jóhann schien erstaunt zu sein.
»Wir haben sie vernommen und nach dem Vorfall in Spanien befragt, von dem du mir erzählt hast.«
»Was für einen Vorfall?«
»Die Vergewaltigung.«
»Bist du wahnsinnig? Hast du sie über die
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