Bevor der Morgen graut
ausgegangen, dass wir ihn diesmal ausfallen lassen würden. Mein Schwiegervater war allerdings ein Mann von großer Entschlossenheit, nicht wahr, Schatz?«
Wieder bewegte sich die Nase auf und ab.
»Könnte es sein, dass jemand euch hinterhergefahren ist?«
»Ich habe nichts dergleichen bemerkt.«
»Ist euer Jagdgebiet auch bei anderen beliebt?«
»Das Land ist in Privatbesitz, deswegen jagen da nur Leute, die dort eine Jagderlaubnis haben. Viele sind es, glaube ich, nicht.«
Nachdem Birkir einen Blick in sein Notizbuch geworfen hatte, sagte er: »Der Besitzer des Landes hat ausgesagt, dass er an diesem Tag nur euch die Jagderlaubnis gegeben hat.«
Der Schwiegersohn nickte. »Ja, das war mir bekannt.«
»Könnte es der Fall gewesen sein, dass ihr auf jemanden gestoßen seid, der dort gewildert hat?«
»Ich weiß es nicht. Aber liegt das nicht nahe?«
»Doch, es sei denn, jemand wäre euch aus der Stadt heraus gefolgt.«
»Wer hätte das denn gewesen sein sollen?«
»Gab es Menschen, die nicht gut auf deinen Schwiegervater zu sprechen waren?«
»Nein, ganz bestimmt nicht.«
»Und was ist mit dir?«
»Du lieber Himmel, nein.«
»Wie alt war dein Schwiegervater?«
»Er ist im vergangenen Juli fünfundsechzig geworden.«
»Was war er von Beruf?«
»Er besaß eine kleine Reederei, die er aber verkauft hat. Er ging in den Ruhestand, als er sechzig wurde.«
Birkir warf einen Blick in sein Notizbuch. »Er war alleinstehend, nicht wahr?«
»Ja, seine Frau, die Mutter von meiner Bára, ist vor acht Jahren gestorben. Sie litt unter zu hohem Blutdruck und war schwer krank.«
»Ging Vilhjálmur viel auf Jagd?«
»Ja, im Herbst schoss er Vögel, Gänse und dann ab Mitte Oktober auch Schneehühner. Außerdem war er Sportfischer und angelte Lachs. Er hatte ja auch viel Zeit, nachdem er aufgehört hatte zu arbeiten.«
»Du bist sicher, dass er keine Feinde hatte?«
»Nein, du lieber Himmel. Warum glaubst du das?«
»Er wurde doch ermordet, oder?«
»Ja, sicher, aber was für Feinde hätten das denn sein sollen?«
Birkir beschloss, das Thema zu wechseln. »Was bist du von Beruf?«
»Ich unterrichte an der Grundschule«, entgegnete Ragnar. »Der Rektor hat mir wegen des Todesfalls ein paar Tage freigegeben. Er war sehr entgegenkommend und brachte uns sogar Blumen im Namen der Schule und des Kollegiums. Er ging davon aus, dass er eine Vertretung für mich finden könnte.«
Birkir stand auf und schaute zum Fenster hinaus, von wo aus man einen guten Blick auf den Garten hatte. »Ein hübsches Haus, in dem ihr hier wohnt«, erklärte er.
»Ja«, sagte Ragnar und fügte mit einem Anflug von Stolz hinzu: »Um den Garten kümmere ich mich ganz allein. Alle anderen Parteien im Haus sind froh darüber, dass ich das mache.« Ragnar war offensichtlich erleichtert, über etwas anderes als den Mord reden zu können, und fuhr fort: »In den Sommerferien habe ich ja auch genügend Zeit, mich damit zu beschäftigen. Es tut mir gut, so viel draußen an der frischen Luft zu sein, und es macht so eine Freude zu sehen, wie alles wächst und gedeiht. An der Südwand steht eine besonders hübsche Heckenrose, und mein Spierstrauch hat ebenfalls in den letzten Jahren wunderschön geblüht. Und dann haben wir noch ein paar Beerensträucher, rote und schwarze Johannisbeeren und auch Stachelbeeren. Da fällt so einiges zum Ernten an, aber leider pflücken die Kinder sie immer schon ab, bevor sie richtig reif sind. Und natürlich sind auch die Vögel ganz versessen darauf. Ander Grundstücksgrenze ist eine Glanzweidenhecke, die ich jedes Jahr selber schneide. Insgesamt gesehen ist es ein sehr schöner Garten, aber ich würde so gern noch mehr Beete an der Südseite anlegen und hier an der Ostseite ein kleines Treibhaus bauen.«
»Ist das nicht machbar?«
»Nein, die anderen Parteien waren nicht damit einverstanden. Die Kinder hier im Haus müssen wohl auch Platz zum Spielen haben. Sie schlagen aber manchmal über die Stränge und können sehr rücksichtslos sein.«
Birkir verspürte Mitgefühl mit diesem hingebungsvollen Gärtner, in dessen Garten es offenbar nicht ganz nach seinen Vorstellungen lief. Doch so langsam war es an der Zeit, auf den Anlass seines Besuchs zu sprechen zu kommen.
»Ich muss euch bitten, eine Liste mit den Namen all derer anzufertigen, die dein Schwiegervater gekannt hat«, sagte er und reichte Ragnar ein Blatt mit den verschiedenen Kategorien, Verwandte, Bekannte, Nachbarn und so weiter.
Ragnar nahm
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