Bevor der Tod euch scheidet (German Edition)
damit fehlte auch das Wort „EILT“ auf dem Umschlag. Francesca hob den Kopf und stellte fest, dass Dawn zu ihrer Droschke zurückeilte. „Wer hat dir das gegeben?“, rief sie ihr nach.
Während sie einstieg und die Tür hinter sich zuschlug, erwiderte sie: „Du musst sehr vorsichtig sein, Francesca. Sehr vorsichtig!“
„Warte doch!“, versuchte sie sie zurückzuhalten, aber die Droschke setzte sich bereits in Bewegung und fuhr an ihr vorbei in Richtung Haus, wo sie wenden würde, um auf die Fifth Avenue zurückzukehren.
Ihr Herz pochte wie wild, während sie mit dem Fingernagel den Umschlag öffnete und ein Blatt Papier herauszog, auf dem etwas in der Handschrift einer Frau geschrieben stand.
Kommen Sie heute um 16 Uhr zum Brunnen. SM
Solange Marceaux war doch noch aufgetaucht! Die Erkenntnis ließ ihr den Atem stocken.
Aber warum jetzt? Solange stand eigentlich nicht länger auf der Liste der Verdächtigen. Natürlich würde sie hingehen, immerhin wurde Solange nach wie vor in Verbindung mit mehreren Fällen von Kinderprostitution polizeilich gesucht. Allerdings musste Francesca sich beeilen, denn sie benötigte mindestens zwanzig Minuten bis zu dem riesigen Kaufhaus Siegel-Cooper, wo sich der berühmte Springbrunnen befand, der sich bei den Damen zu einem sehr beliebten Treffpunkt entwickelt hatte. Sie zweifelte nicht daran, dass die Nachricht sich auf diesen Brunnen bezog. Allerdings blieb ihr dann nicht genügend Zeit, um sich für ihren geplanten Abend mit Hart umzuziehen.
Sie bezahlte den Fahrer und gab ihm ein großzügiges Trinkgeld, dann lief sie ins Haus und überlegte, was alles mit dieser Nachricht verbunden war. Vor allem konnte sie kaum fassen, wie knapp vor dem Treffen sie erst davon erfahren hatte, dass Solange sie erwartete.
Francis hatte Dienst, wie sie feststellen musste, als sie das Haus betrat. Mit dem Umschlag in der Hand blieb sie stehen. „Ist irgendjemand daheim? Es wirkt alles so verlassen.“ Das Letzte, was sie jetzt brauchte, war eine Begegnung mit ihrer Mutter, wodurch sie mit Sicherheit zu spät zum Treffpunkt kommen würde.
„Das Personal ist zum größten Teil nach Saratoga abgereist, um das Haus für die Familie vorzubereiten“, erklärte er. „Ihre Mutter hat entschieden, dass sie und Mr Cahill morgen Nachmittag abreisen werden. Ich glaube, Mrs Cahill unternimmt einen Spaziergang mit Ihrer Schwester, Miss Cahill. Ihr Vater ist im Club.“
„Vielen Dank.“ Es erstaunte sie, dass Julia morgen abreisen wollte. Sie wusste, ihre Mutter würde sie bis dahin unentwegt drängen, damit Hart und sie sie begleiteten. Aber das war völlig ausgeschlossen. Sie waren dem Bilderdieb immer dichter auf den Fersen, und sie konnte jetzt nicht einfach die Stadt verlassen, auch wenn der Anlass dazu der 4. Juli war.
Für einen Moment von Sorge erfüllt, lief sie durch den Flur zu Andrews Bibliothek. Wenn Julia erst einmal einen Entschluss gefasst hatte, ließ sie sich durch nichts davon abbringen. Es würde einen heftigen Streit geben, wenn sie hörte, dass Francesca in der Stadt bleiben wollte. Harts Bild ging ihr durch den Kopf, ebenso das von Bragg. Sie war nicht so dumm, sich allein mit der Bordellchefin zu treffen, also nahm sie den Hörer ab und bat darum, mit Mr Harts Haus verbunden zu werden. Ihr Puls ging schneller. Zwar hatte er ihr gesagt, er müsse noch etwas Geschäftliches erledigen, was normalerweise bedeutete, dass er sein Büro in der Bridge Street aufsuchte, dennoch betete sie, er möge inzwischen nach Hause gegangen sein. Als sich Alfred meldete, sah sie all ihre Hoffnung fahren. „Alfred, wo ist Mr Hart?“, rief sie in den Apparat. „Ist er noch nicht zu Hause?“
„Nein, Miss Cahill, und ich weiß auch nicht, wo er ist. Er könnte noch im Büro sein, vielleicht ist er auch irgendwo essen gegangen. Mr Hart lässt mich seinen genauen Zeitplan nur selten wissen.“
„Alfred, was ich Ihnen jetzt sage, ist von äußerster Wichtigkeit! Finden Sie heraus, wo Mr Hart ist, und sagen Sie ihm, er muss sich mit mir um vier Uhr am Brunnen treffen. Aber er muss sich versteckt halten. Wir arbeiten an einem Fall, und wenn die Person, mit der ich verabredet bin, ihn erkennt, wird sie die Flucht ergreifen. Sagen Sie ihm, ich bin mit Solange Marceaux verabredet!“ Sie überschlug, wie viel Zeit noch blieb. „Und schicken Sie bitte jemanden in sein Büro, falls er noch dort ist.“ Wenn Hart im Büro war, würde ein Diener fünfundvierzig Minuten benötigen, um
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