Bevor der Tod euch scheidet (German Edition)
Details verraten hatte?
Er kam noch einen Schritt näher. Sie drückte sich gegen den Schreibtisch, fühlte sich in die Enge getrieben. Sein Körper schmiegte sich an ihren, und sie hätte sich am liebsten übergeben. Eine Hand legte er um ihr Kinn, die andere in ihren Nacken.
„Ein kräftiger Ruck, und es ist vorbei“, murmelte er heiser. „Ich würde gern zu Ihrer Beerdigung kommen und mit ansehen, wie Hart an Ihrem Sarg in Tränen ausbricht.“
Er wollte sie umbringen! Sie legte die rechte Hand um den Briefbeschwerer. „Wo ist das Porträt?“
„Ich weiß nicht.“ Er lächelte sie triumphierend an. „Das ist für meine Schwester, Francesca, und für meine arme, liebe Mutter.“
Als er ihren Nacken fester packte, holte sie mit aller Wucht aus und zielte mit dem Briefbeschwerer auf seine Schläfe. Er sah den Schlag kommen und wich aus, musste sie dabei aber loslassen. Aus Leibeskräften schrie Francesca: „Hilfe! Zu Hilfe!“
Randall kauerte auf dem Boden und überlegte erkennbar, ob er sie dennoch töten sollte, doch dann lief er zur Tür und schloss sie auf. Als er sie aufzog, standen ein Diener und ein Dienstmädchen davor und versperrten ihm den Weg. Er stieß sie kurzerhand zur Seite und entkam in den Flur. Francesca spürte, wie ihre Beine unter ihr nachgeben wollten. Francis und Bette würden den Verrückten niemals aufhalten können!
„Miss Cahill! Ist Ihnen etwas passiert?“ Francis erreichte sie als Erste, aber sie hatte sich vom ersten Schreck erholt und griff bereits nach dem Telefon.
Als Bette ihr einen Scotch brachte, wurde sie soeben mit Farr verbunden. „Bill Randall hat gerade eben mein Haus verlassen!“
„Ich kümmere mich sofort darum!“
ACHTZEHN
Mittwoch, 2. Juli 1902
16.15 Uhr
Siegel-Cooper and Company an der Sixth Avenue nahm einen ganzen Häuserblock in Beschlag, der sich von der achtzehnten bis zur neunzehnten Straße erstreckte. Als das in Chicago ansässige Kaufhaus seine erste Filiale in New York City eröffnete, da setzte das Unternehmen völlig neue Maßstäbe. Jeder Konkurrent hatte das Geschäftsmodell kopiert und ebenfalls riesige Verkaufsräume gemietet, die bis zum Bersten mit Waren vollgestopft wurden. Der Brunnen befand sich exakt im Mittelpunkt des Kaufhauses, in seiner Mitte wiederum fand sich eine Nachbildung der französischen Statue „La Republique“. Binnen kürzester Zeit hatte er sich zu einem beliebten Treffpunkt für Damen entwickelt, die auf dem Weg waren zum Mittagessen, zum Tee, zum Einkaufen oder in die Nachmittagsvorstellung im Theater. Überall begegnete man der Bemerkung: „Treffen wir uns doch am Brunnen.“
Francesca stand so am Rand des Brunnens, dass sie den Haupteingang an der Sixth Avenue sowie die Eingänge der Seitenstraßen im Blick hatte. Um siebzehn Uhr war Geschäftsschluss im Kaufhaus, doch es war jetzt noch immer gut besucht – ausschließlich von Frauen. Alle schienen sie an diesem Nachmittag in großer Eile zu sein, und Francesca ging davon aus, dass die meisten Kundinnen noch in letzter Minute Besorgungen machten, bevor sie morgen die Stadt verließen.
Allmählich wurde sie nervös. Es war bereits Viertel nach vier! Wo blieb Solange nur?
In der rechten Hand hielt sie das kleine Messer verborgen, das Hart ihr am Tag ihrer Hochzeit geschenkt hatte. Ihre Pistole trug sie nicht in der Handtasche mit sich, vielmehr steckte sie im Rockbund, wo sie von ihrem Mantel verdeckt wurde. Natürlich trug sie keine Handschuhe; sie hätten sie im Umgang mit den Waffen nur behindert.
Dass sie nervös war, verwunderte sie nicht, immerhin hatte sie gerade erst eine erschreckende Begegnung mit Bill Randall hinter sich gebracht. Der Mann war eindeutig geistesgestört. Sie wusste, sie durfte jetzt nicht daran denken, wie er versucht hatte, sie umzubringen. Eine solche Ablenkung konnte sie im Moment nämlich überhaupt nicht gebrauchen. Immerhin war sie im Begriff, einer rücksichtslosen Frau gegenüberzutreten, die sie mindestens so sehr hasste wie Randall.
Sie beobachtete die Glastüren, die sich zur Sixth Avenue hin öffneten. Niemand betrat von dort kommend das Geschäft. Francesca hielt gebannt den Atem an. Nach ihren bisherigen Erfahrungen mit der Bordellchefin war sie davon überzeugt, dass Solange nicht zögern würde, sie auf der Stelle zu ermorden. Oder sie brachte ihre Handlanger mit und befahl ihnen, sie an Händen und Füßen zu fesseln und in den East River zu werfen.
Mit der linken Hand wischte sie ein paar
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