Bevor der Tod euch scheidet (German Edition)
dorthin zu kommen, selbst wenn die Straßen wie leergefegt waren. Sie konnte nur hoffen, dass Hart jeden Moment zur Tür hereinkam. Was aber, wenn er auf dem Heimweg war, während Alfred dafür sorgte, dass ihm ihre Nachricht ins Büro gebracht wurde?
Sie dankte Alfred und hängte den Hörer ein, während ihr der Angstschweiß ausbrach. Als sie dann bei der Polizei anrief und mit Bragg verbunden werden wollte, musste sie auch noch erfahren, dass er das Haus verlassen hatte. Sie stöhnte auf. Was sollte sie jetzt tun?
„Kann ich Ihnen behilflich sein, Miss Cahill?“
Als sie die Stimme von Chief Farr hörte, erstarrte sie einen Moment lang. „Hallo, Chief“, brachte sie heraus. Ihre Gedanken überschlugen sich. Für Solange Marceaux war ein Haftbefehl ausgegeben worden, und Francesca konnte die Hilfe der Polizei gut gebrauchen. Allerdings wollte sie zunächst ungestört mit der Frau reden. Doch selbst wenn sie Farr eine spätere Uhrzeit für das Treffen nannte, damit sie Spielraum bekam, stand zu befürchten, dass er früher dort auftauchen würde, um seine Leute in Stellung zu bringen. Sie atmete tief durch. „Nein, leider nicht. Aber falls Sie den Commissioner sehen, könnten Sie ihm bitte ausrichten, sich mit mir auf einen Kaffee bei Siegel-Cooper zu treffen. Wenn möglich, etwa um Viertel nach vier? Ich bin auf ein paar neue Fährten gestoßen, über die ich gern mit ihm reden würde. Zuvor muss ich jedoch noch ein Geburtstagsgeschenk für meine Nichte kaufen.“
„Kein Problem“, entgegnete Farr freundlich. „Werde ich erledigen.“
Schweißgebadet legte sie auf. Tja, dann würde sie der Bordellchefin also allein gegenübertreten müssen. Trotzdem hoffte sie, dass entweder Hart oder Bragg beizeiten ihre Nachricht erhalten und zum Kaufhaus kommen würde.
Sie hörte Schritte, dann knarrte ein Dielenbrett, als jemand in der Tür zur Bibliothek stehen blieb. Es waren die schweren Schritte eines Mannes gewesen, und als Francesca sich umdrehte, erwartete sie, ihren Vater dort stehen zu sehen.
Ihr stockte der Atem, als sie feststellte, wer in Wahrheit dort stand.
„Hallo“, sagte Bill Randall gefällig und schloss die Tür hinter sich ab. „Wie ich höre, suchen Sie nach mir.“
Der erste Schreck wich einer wachsenden Angst. Ihre Handtasche mit der Pistole darin hatte sie im Flur liegen lassen. Sie war wehrlos – jedenfalls so gut wie. Was wollte er von ihr?
„Bill! Ja, wir suchen Sie tatsächlich.“
Sein Blick war so finster wie der, den sie manchmal bei Hart beobachten konnte. Aber er war nicht wie Hart, nicht im Geringsten. Etwas stimmte nicht mit diesem Mann, auch wenn es nicht so offensichtlich war wie bei seiner Schwester. Als er näher kam, versteifte sie sich.
„Ich habe kein Verbrechen begangen, Francesca! Ich habe sogar gegen meine arme Schwester ausgesagt. Warum also sucht die Polizei nach mir? Ich kann nicht mal mein Haus betreten.“
Seine eindringliche Art war beängstigend. „Es tut mir sehr, sehr leid, was mit Mary und Ihrer Mutter geschehen ist.“
„Von wegen!“, gab er zurück, während das eigenartige Lächeln von seinen Lippen verschwand. „Ihretwegen wurde meine Schwester im Bellevue eingesperrt, und Ihretwegen ist meine arme Mutter im Arbeitshaus!“
Francesca stellte sich mit dem Rücken gegen den Schreibtisch und tastete mit einer Hand nach dem Briefbeschwerer. „Ihre Schwester hat Ihren Vater ermordet, Bill. Ich habe das Verbrechen lediglich aufgedeckt.“
„Sie haben meine Familie zerstört“, entgegnete er. „Und jetzt beabsichtige ich, Sie und meinen Bruder zu vernichten!“
„Haben Sie das Gemälde gestohlen? Das waren Sie, nicht wahr?“, rief sie.
Wieder begann er zu lächeln. „Wollen Sie mich jetzt beschuldigen, ich sei ein Dieb? Warum sollte ich ein Gemälde stehlen, Francesca?“
War er etwa genauso verrückt wie seine Schwester? „Hart und ich haben uns getrennt. Es steht in jeder Zeitung.“
„Sie haben sich nur getrennt“, meinte er lachend, „weil jemand Sie kurz vor Ihrer Hochzeit eingesperrt hat. Ich frage mich, wer das wohl gewesen ist. Oh, ich wünschte, ich wäre dabei gewesen, als Hart vor dreihundert Gästen einsehen musste, dass Sie nicht auftauchen würden.“
„Das war Ihr Werk, nicht wahr? Sie haben mich eingesperrt, und Sie haben auch das Porträt gestohlen. Wo ist es?“, rief Francesca verzweifelt. Woher sollte er sonst wissen, dass sie eingeschlossen worden war? Oder hatte er einen Polizisten bestochen, der ihm alle
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