Bevor der Tod euch scheidet (German Edition)
stattgefunden hatte. Noch immer war sie eine atemberaubend schöne Frau mit kastanienfarbenem Haar. Ihr Gesicht und ihre Figur hatten ihn früher einmal um den Verstand gebracht; jetzt dagegen empfand er ihr ganzes Erscheinungsbild als ordinär und schrecklich durchschaubar.
„Hallo, Evan“, sagte Bartolla, lächelte ihn an und ignorierte Maggie völlig. Sie kam mit majestätischer Erhabenheit auf ihn zu, obwohl in Wahrheit gar kein blaues Blut in ihren Adern floss. Das einzig Royale, das sie vorweisen konnte, war eine kurze Ehe mit einem sechzigjährigen italienischen Grafen, als sie erst sechzehn gewesen war. „Hat man deine Schwester schon gefunden?“
„Nein, bislang nicht. Wieso bist du hier? Das ist eine sehr schwere Zeit für uns, Bartolla.“
„Das ist mir bewusst! Ich muss sagen, ich hätte mir nicht träumen lassen, dass Francesca Hart sitzen lässt. Ich dachte immer, er wäre derjenige, der ihr früher oder später ihr dummes Herz brechen würde.“ Sie lachte auf. Offenbar hielt sie die Ereignisse des heutigen Tages für sehr amüsant. „Ich glaube, er wird nicht sehr gut auf deine Schwester zu sprechen sein, wenn sie wieder auftaucht, Evan.“
„Da irrst du dich. Er ist von ihr ganz hingerissen. Francesca ist in irgendwelche Schwierigkeiten geraten, sonst hätte die Hochzeit heute stattgefunden. Wenn sie wieder da ist, werden die beiden ganz sicher einen neuen Termin festlegen.“ Ihm wurde bewusst, dass er Bartolla mittlerweile regelrecht verabscheute. Er hatte keine Ahnung, wie er mit ihr eine Beziehung aufrechterhalten sollte, wenn ihr Kind erst einmal zur Welt gekommen war.
Abermals lachte sie. „Ich kenne Hart sehr gut, mein Lieber, und ich weiß, er ist sehr nachtragend. Die Hochzeit wird niemals stattfinden.“
Ihm fiel auf, dass sie bis jetzt nicht ein einziges Mal Maggie angesehen hatte, ganz so, als wäre sie Luft für sie. „Ich werde mich jetzt nicht mit dir darüber streiten. Ich muss für Mrs Kennedy eine Droschke rufen.“
„Vielleicht solltest du sie besser mit der El fahren lassen“, flötete sie. „Den Fahrpreis für die Hochbahn kann sich eine Näherin wohl eher leisten.“
Evan bebte vor Wut. Maggie berührte seine Hand. Sie wollte nicht, dass er sich über die Countess ärgerte. Mit Mühe atmete er tief durch, um sich zu beruhigen. „Bartolla, das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für einen Besuch. Meine Familie ist sehr aufgewühlt. Meine Mutter empfängt heute Abend niemanden.“
„Ach, Unsinn! Ich habe Kuchen mitgebracht, Evan. Ich kann Julia sehr gut leiden, und ich möchte ihr Trost spenden. Ganz sicher kann sie jetzt jemanden gebrauchen, der für sie da ist und der ein offenes Ohr für sie hat.“
Dabei wusste Evan ganz genau, dass sie sich am Leid anderer erquicken wollte.
Maggie zog an seiner Hand, weil sie aufbrechen wollte, und dann kam auch noch Bragg dazu, der sich ihnen mit zielstrebigen, forschen Schritten näherte. Gemeinsam mit Evan ging er nach draußen.
„Was glaubst du, was wirklich passiert ist, Rick?“, fragte er.
„Ich glaube“, antwortete Bragg nach kurzem Zögern, „dass sich Francesca in irgendwelche Schwierigkeiten gebracht hat. Aber ich werde sie finden, Evan, darauf kannst du zählen.“
Sie fürchtete sich davor, aus der Droschke auszusteigen.
Harts Heim war ein riesiges düsteres Herrenhaus, dessen Fassade zum größten Teil aus tiefgrauen Steinen bestand. Es war vor nicht allzu langer Zeit errichtet worden und lag ein Dutzend Blocks stadtauswärts vom Anwesen der Cahills entfernt. Bislang hatte er hier noch keine Nachbarn. Das Grundstück selbst nahm einen halben Häuserblock in Anspruch, das Haus war von Rasenflächen und Gärten umgeben, während der Stall, die Unterkünfte des Personals, die Tennisplätze und ein großer Teich sich alle auf dem rückwärtigen Teil des Areals befanden. Eine Mauer mit einem hohen schmiedeeisernen Zaun zog sich um das gesamte Anwesen.
Francesca rührte sich nicht, als der Droschkenfahrer vom Bock stieg, um ihr die Tür zu öffnen. Sie zitterte und musste gegen ihre Tränen der Erschöpfung und der Bestürzung ankämpfen. Die letzte halbe Stunde hatte sie in der Droschke verbracht, während sie sich vorzustellen versuchte, was sich wohl in der Kirche abgespielt hatte, als die Musiker zum Hochzeitsmarsch ansetzen sollten. Vermutlich war ihre Mutter außer sich vor Sorge gewesen, während ihr Vater sicherlich eine finstere Miene machte.
Die Reaktionen der Gäste auf ihr
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