Bevor der Tod euch scheidet (German Edition)
Dank“, sagte sie. „Ich kenne den Weg zur Bibliothek, Alfred.“
Der Butler zögerte kurz. „Sie sehen recht mitgenommen aus, Miss Cahill. Möchten Sie sich zuerst noch frisch machen?“
Aber sie schüttelte nur den Kopf und lief durch den Korridor, während sie hoffte, niemandem von der Familie zu begegnen. Im Haus war es erschreckend still, fast so, als wäre jemand gestorben und alle seien in Trauer. Solche morbiden Gedanken gefielen ihr gar nicht, also verdrängte sie sie schnell wieder. Im Augenblick wollte sie nichts lieber, als sich in Harts Arme sinken zu lassen.
Die schwere Tür aus Rosenholz zu seiner Bibliothek war geschlossen, und Francesca zögerte kurz, da ihr Herz vor Nervosität raste. Schließlich öffnete sie die Tür.
Hart saß an seinem Schreibtisch über irgendwelche Papiere gebeugt, hob den Kopf und warf ihr einen frostigen Blick zu.
„Hallo“, grüßte sie ihn leise und brachte ein schwaches Lächeln zustande. Sein Schreibtisch stand so weit von ihr entfernt, dass zwischen ihnen beiden fast noch genug Raum war für einen Tennisplatz. Francesca schloss die Tür hinter sich und eilte zu ihm. „Hart, es tut mir so leid! Ich habe einen entsetzlichen Tag hinter mir!“
Langsam erhob er sich von seinem Stuhl und baute sich zu seiner ganzen Größe von gut ein Meter fünfundachtzig auf. Seine Bewegungen hatten etwas sehr Beherrschtes, Zurückhaltendes an sich, das sie stocken ließ. Bestimmt war ihm aufgefallen, wie zerzaust sie war und wie zerkratzt und blutig ihre Finger waren. Ganz sicher verhielt er sich so, weil er um sie in Sorge war. „Man hat mich in einer Galerie eingeschlossen“, redete sie weiter. „Und ich habe mein Porträt wiedergefunden!“
Er reagierte nicht mit seinem typischen abschätzenden Blick, sondern sah sie nur an. Als hätte er kein Wort von ihr gehört, sagte er ganz ruhig: „Wie ich sehe, hast du es dir anders überlegt, Francesca. Offenbar bist du noch einsichtig geworden.“
Seine Äußerungen empfand sie als sehr beunruhigend. „Hast du nicht gehört? Ich war in einer Galerie eingeschlossen! Deshalb habe ich unsere Hochzeit versäumt. Es tut mir schrecklich leid!“, rief sie. „Und ich habe es mir nicht anders überlegt!“
Noch immer stand er so stocksteif da, dass sie nicht mal erkennen konnte, ob er überhaupt atmete.
„Mir ist bekannt, dass du die Hochzeit versäumt hast“, sprach er so monoton, als würde er sich mit ihr über das Wetter unterhalten. „Bist du verletzt?“
War es ihm völlig egal, dass man sie eingeschlossen hatte? „Jedenfalls nicht ernstlich.“
„Gut.“ Er schaute auf den Schreibtisch und griff nach einem der Blätter.
Francesca war entsetzt. Was machte er da? Wollte er sich nicht ihre Hände und ihr Gesicht ansehen? Sie fragen, was geschehen war? Wollte er nicht wissen, wo das verdammte Porträt war, damit sie es abholen und zerstören konnten?
Er sah sie an, als hätte er eine Fremde vor sich. „Gibt es sonst noch etwas? Wie du siehst, bin ich im Moment sehr beschäftigt.“
„Calder, hörst du mir eigentlich nicht zu? Ich habe das verfluchte Gemälde entdeckt! Deshalb war ich zu spät“, schluchzte sie. „Das sollte unsere Hochzeitsnacht sein! Wir müssen über das reden, was vorgefallen ist!“
Ohne den Blick von ihr abzuwenden, schob er einige Papiere hin und her. Sein Gesicht war wie versteinert, sodass ihm nicht anzusehen war, was er dachte oder fühlte. „Mich interessiert nicht, was vorgefallen ist. Es gibt nichts, was wir noch besprechen müssten.“
„Wie bitte?“, fragte sie ungläubig.
Wieder widmete er sich den Dokumenten auf dem Schreibtisch und begann, sie zu sortieren.
Sie ging weiter auf ihn zu. Was war nur mit ihm los? Wieso war er nicht wütend? Wieso brüllte er sie nicht an? „Ich weiß, du meinst das nicht so. Und natürlich willst du wissen, was mir zugestoßen ist.“ Als er sie nicht ansah, rief sie eindringlich: „Wir müssen einen neuen Hochzeitstermin festlegen.“
Daraufhin legte er die Papiere zur Seite und schaute sie an. „Es wird keinen neuen Hochzeitstermin geben.“
Ihr stockte der Atem, ihr Herz schlug so heftig, dass es schien, als wollte es aus ihrer Brust herausplatzen. Nun war nur noch der Schreibtisch zwischen ihnen. „Das kann nicht dein Ernst sein.“
„Aber es ist mein Ernst.“ Jetzt war ein Hauch von Zorn aus seiner Stimme herauszuhören. „Du bist zutiefst verletzt und sehr wütend auf mich, auch wenn du es dir nicht anmerken lässt. Ich hätte
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