Bevor der Tod euch scheidet (German Edition)
uns wissen ließ, dass es dir gut geht, ist sie förmlich zusammengebrochen.“
„Es tut mir wirklich leid“, beteuerte Francesca.
„Wer hat dir das angetan? Und was ist passiert?“, fragte Andrew.
Sie zitterte am ganzen Leib. „Ich bekam eine Nachricht zugestellt, die besagte, dass ich ganz dringend zu einer bestimmten Adresse kommen müsse. Ich weiß, ich hätte sie ignorieren sollen. Man lockte mich in eine Kunstgalerie und sperrte mich dort ein. Den Übeltäter habe ich leider nicht zu Gesicht bekommen. Ich versuchte, aus dem Fenster zu klettern, doch das ging nicht, und als ich endlich befreit wurde, war es weit nach vier Uhr. Ich bin aber nicht verletzt.“
„Gott sei Dank!“, meinte Andrew grimmig.
„Ich habe Bragg gebeten, mir dabei zu helfen, den Verantwortlichen ausfindig zu machen und zu verhaften.“
Wieder drückte ihr Vater sie an sich. „Ganz sicher wird Rick dieser schrecklichen Angelegenheit auf den Grund gehen. Warst du bereits bei Hart?“
Sie schwieg.
„Francesca?“, hakte er nach. „Du hast ihm doch bestimmt erklärt, was geschehen ist, nicht wahr?“
Ihr war klar, sie musste jetzt sehr vorsichtig sein. Ihr Vater konnte Calder Hart gar nicht ausstehen. Offenbar fand er, dass Hart nicht gut genug für sie war. Außerdem war er nicht davon überzeugt, dass Hart seinen Frauengeschichten ein Ende setzen würde, wenn er erst einmal verheiratet war. Sie schindete noch ein wenig Zeit, indem sie einmal tief durchatmete. „Ja, ich war bei Calder. Er steht auch unter Schock. Schließlich kommt es nicht jeden Tag vor, dass ein Mann heiraten will und dann am Altar stehen gelassen wird.“
„Lass mich raten – ihn kümmert es nicht, was dir widerfahren ist. Er ist wütend auf dich“, sagte Andrew tonlos. Die Leute hielten ihn für umgänglich und gutmütig, weil er nur ein Farmersjunge aus Illinois war. Doch es war ihm durch harte Arbeit, unablässigen Ehrgeiz und einen rasiermesserscharfen Verstand in einer stark umkämpften Branche gelungen, den größten Fleischverarbeitungsbetrieb des Landes aufzubauen und ein Vermögen anzuhäufen. Andrew Cahill war niemand, den man auf die leichte Schulter nehmen durfte, und wenn es notwendig war, lief er zu Hochform auf.
„Natürlich kümmert es ihn“, entgegnete Francesca und betete, dass das auch stimmte. „Aber er ist sehr aufgewühlt, und im Augenblick ist er nicht geneigt, mit mir eine Unterhaltung zu führen.“
Andrew verschränkte die Arme vor der Brust. „Und Rick hat dich nur abgesetzt, nachdem er den ganzen Abend über versucht hat, mit dir zusammen nach diesem Übeltäter zu suchen?“
Sie wusste nicht, worauf er mit seiner Frage hinauswollte. „Ja, Papa. Ich bin erschöpft und ich muss mich jetzt wirklich hinlegen. Können wir morgen weiterreden?“
„Ja, natürlich.“ Sein Gesichtsausdruck nahm einen sanfteren Zug an, und er gab ihr einen Kuss auf den Kopf. „Aber, Francesca … ich frage mich, ob du wirklich im Begriff warst, den richtigen Mann zu heiraten.“
Die Morgensonne schien durch die überdimensionierten Fenster seines Büros in der Bridge Street, das eine ganze Ecke des vierten Stocks in Beschlag nahm. Calder Hart richtete seinen Blick auf den New Yorker Hafen, während die Sonne am rötlichen Himmel nach oben wanderte.
In seiner Hand hielt er ein Glas Scotch, das fünfte oder sechste an diesem Abend … Er hatte die Übersicht verloren, und es kümmerte ihn auch nicht. Allerdings war es längst nicht mehr Abend.
Er stand auf. Sein Kopf schmerzte. Vom Fenster aus konnte er mehrere Frachtschiffe, einen Schlepper und einen Zerstörer der Marine ausmachen, die alle vor Anker lagen. Aus seinem Blickwinkel war es ihm auch möglich, die Straße vor dem Bürogebäude zu sehen, die bis auf einen einsam ausschauenden Fuhrmann menschenleer war. Nur noch eine halbe Stunde, dann wimmelte es dort unten an der südlichsten Spitze der Insel Manhattan von Bankern und emsig umherwieselnden Angestellten, von Anwälten und schlecht angezogenen Buchhaltern, die alle auf dem Weg zu ihrem jeweiligen Arbeitsplatz waren. Verkäufer würden gekühlte Austern und heiße Kastanien feilbieten, voll besetzte Droschken und Straßenbahnen sich ihren Weg durch die Menge bahnen.
Er hielt sein Glas noch fester umschlossen und fluchte, denn inzwischen war er sich in einer Sache absolut sicher: Es war unwiderruflich vorüber.
Francesca war nicht zur Hochzeit erschienen, und diesen Verrat würde er ihr niemals verzeihen – auch wenn er
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