Bevor der Tod euch scheidet (German Edition)
deinen Mann absichtlich in die Arme einer anderen Frau treiben.“
Leigh Anne machte sich gar nicht erst die Mühe, über eine Antwort nachzudenken. Bartolla war auf dem Weg nach draußen, und gleich würde alles wieder in Ordnung sein. Sie benötigte nur ihre Dosis, und dann konnte sie durch eine Welt treiben, die keine Schmerzen, keine Verzweiflung und kein Bedauern kannte.
Francesca war sich Harts Nähe nur zu deutlich bewusst. Seine männliche Ausstrahlung ließ sich einfach nicht ignorieren, als sie Seite an Seite auf der Rückbank seiner Kutsche saßen, nachdem sie Joel zu Hause abgesetzt hatten. Nur eine Handbreit Platz war zwischen ihm und ihr.
Er sah sie aus dem Augenwinkel an, und sie gab vor, davon nichts zu bemerken, während sie jeden Schlag ihres Herzens deutlich spürte.
Draußen war ein Bilderbuchabend angebrochen. Millionen Sterne funkelten am Himmel über der Stadt. Sie waren auf der Fourth Avenue unterwegs, die man zum Teil aufgerissen hatte, um einen Eisenbahntunnel zu bauen. Die meisten Gebäude waren in Dunkelheit getaucht, außer ihnen war niemand auf der Straße.
Francesca wagte einen Seitenblick auf Calders Profil. Wie sie sich den Ausklang dieses Tages vorstellte, wusste sie ganz genau. Die Frage war nur, ob ihr Wunsch Wirklichkeit werden würde.
Ihr Blick wanderte zum offenen Fenster auf ihrer Seite. Hätte sie am Samstag nicht Moores Galerie aufgesucht, dann wären sie beide jetzt Mann und Frau und würden auf einem Kreuzfahrtschiff Abend für Abend tanzen und Wein und Champagner trinken, während sie Frankreich ansteuerten.
Und sie würden sich bis zum Morgengrauen lieben.
Als sich ihre Blicke trafen und sie das Funkeln in seinen Augen bemerkte, musste sie lächeln. Nur mit Mühe konnte sie sich davon abhalten, das zu sagen, was ihr auf der Zunge lag. Sie wollte nicht nach Hause gehen und den Rest des Abends allein oder – schlimmer noch – in der Gesellschaft ihrer Eltern verbringen. Sie wollte bei ihm bleiben und mit ihm diesen neuen Fall von allen Seiten beleuchten, ehe sie sich von ihm lieben ließ. Es fiel ihr so schrecklich schwer zu schweigen, aber sie war entschlossen, den Ratschlag ihrer Schwester zu befolgen.
Sein Blick wanderte zu ihren Händen, und sie hoffte, er würde sie fragen, warum sie seinen Ring nicht mehr trug. Dann würde sie ihm die lässige, beiläufige Antwort geben können, die sie sich bereits zurechtgelegt hatte. Doch er fragte nur: „Wieso trägst du keine Handschuhe?“
Sie lächelte und drehte sich etwas mehr zu ihm um, während die Kutsche in die neunundfünfzigste Straße einbog und sie am Plaza Hotel vorbeifuhren. Nur noch ein paar Minuten, dann war sie wieder zu Hause. „Ich dachte, ich müsste vielleicht zur Waffe greifen, wenn mir der Erpresser gegenübertritt, und das wäre mit Handschuhen nicht so einfach gewesen.“
„Ja“, meinte er kopfschüttelnd, „ich bezweifle auch, dass du einen Mann erschießen kannst, wenn du Handschuhe trägst.“
War er etwa wütend? „Du weißt, ich habe immer eine Waffe für den Fall mit, dass ich mich verteidigen muss.“
„Und du weißt, dass ich damit noch nie einverstanden war.“
Francesca hoffte auf eine lebhafte Diskussion. „Sie hat sich als sehr praktisch erwiesen.“
„Eines Tages wirst du dir damit den großen Zeh abschießen.“
„Das will ich doch nicht hoffen!“, gab sie zurück und glaubte zu sehen, wie er die Mundwinkel verzog.
Er musterte sie, sein Gesichtsausdruck war nun etwas sanfter. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Mrs Kennedy gefällt, wenn sie hört, dass du Joel eine Waffe gegeben hast.“
„Sie war ja nicht geladen.“ Dann zögerte sie und fügte leiser an: „Das war falsch von mir.“
„Ja, Francesca, das war es tatsächlich.“
Sie hielt seinem Blick stand, bemerkte aber aus dem Augenwinkel, dass sie soeben den Grand Army Plaza überquert hatten. Der Metropolitan Club lag nun unmittelbar vor ihnen.
Es kam Francesca so vor, als würde er weiter schweigen wollen. Ihr Herz begann schneller zu schlagen, und ihr ganzer Körper war wie erschlafft.
Plötzlich jedoch sagte er in sanftem Tonfall: „Was soll ich bloß mit dir machen?“
Gebannt saß sie da. Am liebsten wollte sie ihn bitten, sie zu sich nach Hause einzuladen, damit der Abend noch kein Ende nahm. Irgendwie brachte sie dann doch heraus: „Wir haben zwar keine Fortschritte gemacht, aber letztlich hat auch niemand Schaden davongetragen.“ Als er sie daraufhin wieder ansah, errötete sie.
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