Bevor du stirbst: Roman (German Edition)
deine Mutter kommt erst morgen wieder, also wird sie nicht merken, dass du high bist. Oder was? Denn es geht doch wohl um Mamachen? Nicht wahr? Du willst sie nicht enttäuschen, was?«
Anders lachte, und Ulrik und Stefan stimmten ein. Micke lief wieder rot an und fuhr sich mit den Händen durch die Locken.
»Also, es ist nur gegen meine … na ja, Überzeugungen. Es kommt mir nicht richtig vor, ganz einfach. Es hat nichts mit meiner Mutter zu tun.« Er verschränkte die Arme vor der Brust und versuchte, ein entschiedenes Gesicht zu machen.
»Wie kannst du wissen, dass das gegen deine Überzeugungen ist, wenn du es nicht ausprobiert hast? Man wird kein Junkie von einem Test. Ich kann ja verstehen, dass du nicht in irgendeinem Keller Heroin spritzen willst, aber wir reden doch nur von einem Versuch. Oder was?« Stefan beugte sich zu Micke vor und schob ihm den Spiegel hin. »Na los, was dich nicht umbringt, macht dich stärker. Nicht wahr, Nietzsche?«
Stefan drehte sich zu Anders um, und der nickte.
»Und außerdem trinkst du doch Alkohol. Das ist das pure Gift, viel schädlicher für den Körper als das hier. Wenn du also deinen Körper als eine Art Tempel betrachtest, der nicht besudelt werden darf, dann dürftest du auch nichts saufen. Alkohol ist die gefährlichste Droge, und wenn sie nicht kulturell akzeptiert wäre, würde sie niemals zugelassen werden. So ist das. Das ist doch allgemein bekannt.« Micke schaute Stefan an. Er sah verbissen und angespannt aus, dann nickte er.
»Na gut, Jungs. Aber nur euretwegen. Damit ihr aufhört, so verdammt rumzunerven.« Er nahm den aufgerollten Geldschein und saugte dann das weiße Pulver ein. Feuchtete die Fingerspitzen an und strich über den Spiegel, um die letzten Pulverreste aufzusammeln, dann leckte er den Finger ab, genau wie Anders das immer machte. Die anderen lachten. Ulrik klopfte Micke leicht auf die Schulter und murmelte: »Gut gemacht, Junge, gut gemacht.«
Dann sah er Micke an. »Und was würde Mamachen dazu sagen?«
Ulrik stellte diese Frage mit seiner sanftesten Stimme, aber in seinen Augen lag ein scharfes Funkeln. Micke sah unglücklich aus, zuckte aber nur mit den Schultern.
»Keine Scheißahnung. Was würde denn deine Mutter sagen?«
Stefan und Anders lachten laut über Mickes Antwort. Es kam nur selten vor, dass Micke sich wehrte, wenn Ulrik oder Anders ihn anmachten.
»Meine Mama hat scheiß gar nichts damit zu tun.«
Ulrik beugte sich vor und starrte Micke an. »Aber du und deine Mutter, ihr seid doch ein super Team. Du bist ihr Männlein, was? Du bist der Mann im Haus, jetzt, wo Paps sich verzogen hat. Steigst du auch nachts zu ihr ins Bett?«
Stefan sah, wie Mickes Gesicht erstarrte, alle Farbe verlor. Ulriks Zorn brodelte wieder so dicht unter der Oberfläche. Stefan überlegte, weshalb, woher dieser ganze Zorn stammen mochte.
Die Türglocke war durch die laute Musik kaum zu hören, aber Stefan hatte sie gehört und war dankbar für diese Unterbrechung. Ulrik konnte so verdammt arrogant sein, und er ließ Micke nie in Ruhe. Stefan fühlte sich auf vage Weise schuldig. Weil er Micke hätte verteidigen müssen, aber damit hätte er auch zugegeben, dass Ulrik zu weit gegangen war. Außerdem ahnte er, dass Micke seine Kämpfe selbst ausfechten wollte.
»Wer zum Teufel kommt denn jetzt?« Anders sah die anderen an. »Ein wütender Nachbar, der sich beschweren will?«
Er ging zum Fenster und schaute zur Haustür hinüber. Es regnete jetzt wieder, die Fensterscheibe war gestreift vor Feuchtigkeit und der Garten kaum noch zu sehen.
»Da steht ein durchnässter Swan. Hat irgendwer den eingeladen?« Anders schaute die anderen an, die auf dem Sofa saßen, rauchten und ihre Cocktails tranken.
»Stefan und ich haben ihn eingeladen. Hab’s vergessen zu erwähnen. Er möchte ein bisschen einkaufen. Gibst du mir den Stoff?«
Ulrik schien seinen Streit mit Micke vergessen zu haben und richtete seine Aufmerksamkeit jetzt auf Anders. Der nickte langsam und ging zu der Jacke, die er über einen Sessel geworfen hatte.
»Aber jetzt mach doch endlich auf. Der Typ sieht doch schon aus wie eine ertränkte Katze.« Anders wandte sich an Micke, der verwirrt aussah, jetzt aber zur Tür ging.
Nicklas Swan schlüpfte durch den Türspalt, sowie Micke die Haustür öffnete. Seine schwarze Jacke war durchnässt, und die Kapuze seines grauen Sweatshirts klebte an seinem Kopf. Die blonden Haarsträhnen ringelten sich wie feuchtes Seegras auf seinen Wangen. Er
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