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Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Titel: Bevor du stirbst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe , Åsa Träff
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Überfall. In der Nähe des Zentrums und der U-Bahn und doch abgelegen. Aber in Schweden werden bei Überfällen auf Einzelpersonen ja noch immer nur sehr selten Schusswaffen verwendet. Die K lientel, die solche Waffen benutzt, treibt sich nicht in Parks herum, um zufällig ausgewählte Passanten zu überfallen. Außerdem war seine Brieftasche noch vorhanden, samt Karten und Bargeld.« Der Professor verstummt, fährt sich über den ergrauenden Bart und zieht seine gesteppte Jagdweste gerade.
    »Aber was ist denn Ihre Theorie?«
    »Mama, Hilfe.«
    Plötzlich steht Erik neben mir und zieht an meinem Arm, verlangt Aufmerksamkeit.
    »Sofort. Mama kommt sofort. Ich muss nur schnell dem Onkel zuhören«, sage ich zerstreut.
    Erik scheint sich damit zufriedenzugeben und geht wieder zu seinem Topf.
    »Es gibt eigentlich nur zwei Erklärungen«, sagt jetzt der Professor, langsam. »Entweder gibt es im Leben dieses Mannes noch Dinge, von denen wir nichts wissen, oder es war wirklich eine Verwechslung. Aber in diesem Fall glaube ich, dass wir die entscheidende Information im Hintergrund des Opfers finden können. Man muss nur tief genug graben.«
    »Aber es gab doch auch eine Zeugin?«
    »Ja, es gab eine Zeugin, die im Zusammenhang mit dem Mord vernommen worden ist. Ein junges Mädchen, fast noch ein Kind, das die ganze Tat miterlebt hat. Aber es war ja nun so, dass sie unter Drogen stand, total zugedröhnt, genauer gesagt. Sie konnte den Ermittlern leider nicht viel mehr berichten als die Tatsache, dass es ein Mann war und dass Opfer und Täter sich vor dem Mord gestritten haben. Aber natürlich könnte und sollte diese Zeugin noch einmal befragt werden.«
    Der Mann räuspert sich und lässt sich dann wieder in seinen Sessel sinken.
    »Wie oft kommt es vor, dass sich so viel später noch Zeugen einfinden?«
    »Tja, das passiert schon. Aber es ist schwer zu sagen, was eine Konstruktion im Nachhinein ist und was wirklich geschehen ist. An sich sollte man die Zeugen sofort nach einem Verbrechen vernehmen. Gerade in diesem Fall aber, wo Drogen mit im Spiel waren, noch dazu Halluzinogene, ist es wohl zweifelhaft, welchen Beweiswert die Zeugenaussage hat. Aber es kann ja noch andere Zeugen geben, die sich jedoch nicht gemeldet haben.«
    »Genau. Und deshalb ist es wichtig, dass alle, die sich am besagten Abend gegen halb sieben Uhr abends in der Nähe des Karlaplan aufgehalten haben, sich bei der Polizei melden. Und damit weiter zum historischen Verbrechen der Woche.«
    Die Frau schaut in die Kamera und lächelt. Der Professor blickt zu Boden, und schon folgen schwarze körnige Bilder von altmodischen Streifenwagen und uniformierten Polizisten mit schräggerückten Mützen.
    Plötzlich ist aus der Küche Gebrüll zu hören.
    Ich lasse den Laptop los und stürze hinüber. Erik sitzt auf dem Boden und presst sich die Hand auf die Stirn. Hellrotes Blut strömt zwischen seinen Fingern hindurch.
    Er weint, und der Anblick des vielen Blutes scheint seine Angst noch größer zu machen. Neben dem Spülbecken liegt ein umgekippter Stuhl. Erik muss versucht haben hinauf zuklettern, um irgendetwas zu holen, und dann umgefallen sein.
    Ich gehe in die Hocke und nehme vorsichtig seine Hand. Eine klaffende Wunde zieht sich von der Augenbraue zum Haaransatz. Das Blut quillt zwischen meinen Fingern hervor, als ich versuche, Eriks Kopf stillzuhalten, um mir ein Bild der Verletzung zu machen. Es ist klar, dass ich ins Krankenhaus muss. Diese Wunde muss genäht werden, und vielleicht hat er sich eine Gehirnerschütterung zugezogen.
    Mein Sohn hat sich verletzt, weil ich in die Vergangenheit vertieft war, statt hier zu sein, im Jetzt. Vorsichtig hebe ich ihn hoch, greife zu einem Küchenhandtuch, das ich auf die Wunde drücke. Dann ziehe ich mein Mobiltelefon hervor und rufe ein Taxi.
    Auf dem Weg in die Stadt verständige ich Markus. Er meldet sich beim zweiten Klingeln und verspricht, ins Krankenhaus zu kommen. Erik weint, und das Blut tränkt das weiße Handtuch mit entsetzlicher Schnelligkeit.
    Ich begegne im Rückspiegel dem Blick des Taxifahrers. Ein junger Mann mit schwarzen Haaren und großen dunklen Augen. Er sieht gestresst aus. Fährt schnell, sehr schnell, über die Autobahn, scheint auf den restlichen Verkehr nicht zu achten. Und doch kommt es mir so vor, als stehe im Taxi die Zeit still, und als wir endlich ankommen, habe ich das Gefühl, seit einer Ewigkeit unterwegs zu sein. Markus wartet am Eingang. Vorsichtig nimmt er Erik auf den Arm

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