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Bevor ich verbrenne

Bevor ich verbrenne

Titel: Bevor ich verbrenne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaute Heivoll
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sich daran.
    Er entschied selbst, wohin er fahren wollte. Es handelte sich um einen sehr einsam gelegenen Hof, für den er nun praktisch die Verantwortung übernahm. Es war der Hof von Peder in Skogen, der nur einen Kilometer von unserem Haus in Kleveland entfernt lag; aber um dorthin zu kommen, musste man über Breivoll fahren. Und das tat er. Er fuhr über Harbakk und weiter auf schmalen Schotterwegen, bis er dort war. Stieg aus dem Auto, ließ die Wagentür offenstehen, schlenderte ein bisschen auf dem Hofplatz herum und fasste an die Türklinke; die Haustür war abgeschlossen. Dann ging er zur Scheune und setzte sich schließlich auf die Steintreppe vor dem Eingang. Das Gras im Garten wuchs bereits knöchelhoch. Auf der Wiese standen zwei alte, verwitterte Obstbäume. Vögel flogen hin und wieder aus dem Scheunengiebel. Schwarze Ameisen krabbelten in den Ritzen der Treppenstufen. Blassgelbe Narzissen wiegten sich an der Hauswand. Er lehnte sich zurück und legte den Kopf an die oberste Stufe. Fühlte sich seltsam konfus und müde; die Sonne schien ihm ins Gesicht, und er dachte, so, genau so, wollte er sehr lange liegen bleiben.
    Das Unglück passierte auf dem Rückweg. Er fuhr mit hoher Geschwindigkeit die Anhöhe hinunter und unterschätzte die Kurve, das Auto kam von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Baum. Damals setzte sich dieses grelle Geräusch in seinem Kopf fest. Das ergab die Gerichtsverhandlung. Er selbst war der Ansicht, dass dies eine Ursache für die Ereignisse der kommenden beiden Tage gewesen sein könnte. Er erklärte, irgendetwas wäre in seinem Kopf passiert, etwas, das sich außerhalb seiner Kontrolle befand. Ein ärztliches Gutachten bekräftigte, dass er sich einige Wunden und Schrammen im Gesicht zugezogen hatte, vermutlich durch einen Unfall, aber es wurden keinerlei Anzeichen eines organischen Hirnschadens gefunden.
    Nun ja.
    Das grelle Geräusch in seinem Kopf war nicht so schlimm, er konnte selbst Hilfe holen, und eine halbe Stunde später wurde sein Wagen von einem Nachbarn mit dem Trecker abgeschleppt. Wie sich herausstellte, war er nur geringfügig beschädigt. Die Front ein wenig eingedellt, ein Scheinwerfer zersplittert, der zweite leuchtete schräg nach oben. Im Übrigen war der Wagen in einem fahrbaren Zustand. Dag hatte insgesamt Glück gehabt. Der Nachbar war besorgt, legte ihm eine Hand auf die Schulter und sah ihm lange in die Augen, aber er versicherte, dass er vollkommen in Ordnung sei. Ein Geräusch im Kopf, ein paar Schrammen an der Stirn, das war alles. Das alles passierte, bevor er sich im Spiegel betrachtete und das ganze Blut sah. Er setzte sich ins Auto und forderte den Nachbarn auf, die Augen offen zu halten und sich zu melden, wenn ihm etwas Verdächtiges auffiele. Dann fuhr er mit einem schräg in den hellen Himmel weisenden Scheinwerfer davon.
    Es wurde später Nachmittag, es wurde Abend. Die Sonne ging unter.
    In Skinnsnes saß Dag auf einem Küchenstuhl, während Alma seine Wunden an der Stirn versorgte. Sie wusch sie erst mit lauwarmem Wasser aus, dann reinigte sie sie vorsichtig mit Watte und Pyrisept; in diesem Moment zuckte er zusammen.
    »Das tut weh, Mama!«
    »Das soll auch wehtun«, antwortete sie lächelnd. »Dann wirkt es.«
    Sie wischte die letzten Reste Blut von Wange und Hals.
    »So, fertig«, erklärte sie.
    Er stand auf, griff sich vorsichtig an den Kopf und lächelte das Lächeln, das sie dahinschmelzen ließ.
    Ab Mitternacht wurden alle Fahrzeuge, die auf der Reichsstraß e 461 durch den Ort fuhren, von der Polizei angehalten. Sie hatte eine Patrouille an der Fjeldsgårdsletta postiert. Ein Beamter wartete im Straßengraben, und jedes Mal, wenn ein Auto sich näherte, kletterte er heraus. Die Frontscheinwerfer ließen die Reflektoren an seiner Jacke aufblitzen. Der Wagen bremste. Blieb stehen. Es wurde hineingeleuchtet. Ein kurzes Gespräch. Die Nummer wurde notiert. Dann durfte weitergefahren werden. Nichts Verdächtiges wurde beobachtet. Die Leute blieben nachts wach. Es war Samstagabend, das Weltmeisterschaftsspiel Ungarn gegen Argentinien wurde live im Fernsehen übertragen, und das war ja in jedem Fall sehenswert. Niemand wagte, das Licht zu löschen. Einige saßen lange draußen auf der Treppe und horchten in die Dunkelheit, bis es zu kühl wurde und sie ins Haus mussten, um sich dicker anzuziehen. Oder sie gingen schließlich hinein und legten sich hin. Es wurde eins, ohne dass etwas geschah. Kein Alarm. Keine Sirenen. Der Himmel

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