Bewegt Euch
Sommerferien oder den BerlinMan jedes zweite Jahr im September, eine Mitteldistanz, die auf meinen Trainingsstrecken im Grunewald ausgetragen wird.
Sollte allerdings ein Familienproblem dazwischenkommen oder eine Verletzung oder einfach nur ein unwohles Gefühl, dann sage ich ab. Meine Reihenfolge lautet: Job und Familie oben, soziale Kontakte und dann erst die Bewegung. Lassen sich diese Prioritäten kombinieren – umso besser.
Es hat Jahre gedauert, bis ich verstanden habe, dass ich auf Monats- oder Jahrespläne vor allem widerständig reagiere. Einer der ersten Pläne, an die ich mich erinnere, war ein angeblich total geheimes Abnehm-Rezept von meinem Freund Hartmut, die »Miami-Diät«. Das Prinzip war einfach: Man durfte zwei Wochen lang so viele Äpfel und Kochschinken essen, bis man satt war, aber sonst nichts. Dazu gab es Wasser mit Zitrone und Cayennepfeffer. Sieben Kilogramm sollte die Wunderdiät bringen. Mir brachte sie ab dem ersten Moment schlechte Laune. Am dritten Tag musste ich mich beim Anblick von Kochschinkenbergen übergeben. Saures Pfefferwasser verwüstete meinen Verdauungstrakt.
Seither habe ich alle möglichen Pläne ausprobiert: mehr Ordnung auf dem Schreibtisch, mehr Zeit, mehr Fitness in noch weniger Zeit, mehr Sparen mit noch weniger Geld und natürlich: das todsichere Marathon-Training. Alles was ich zustande gebracht habe, sind zahllose angefangene Pläne. Auf mich wirken alle so ähnlich wie damals die Miami-Diät. Sie machen mir Angst, sie schrecken mich ab. Ich glaube Professor Roth, der sagt: Verhalten lässt sich nur sehr bedingt verändern. Aus einem Anti-Plan-Typen wie mir macht man einfach keinen Preußen.
Selbst Personal Coaching funktioniert bei mir nur bedingt. Trainer sind auch nur Stoppuhren mit Beinen. Zwar nehmen sie Rücksicht auf Tagesabläufe, aber der Planwahn bleibt: Siege sind steuerbar. Nach meinen drei Marathon-Versuchen muss ich leider widersprechen: Jedes Mal hatte ich mich nach Plan vorbereitet, um diesmal wirklich und garantiert unter vier Stunden zu bleiben. Doch jedes Mal blieb ich knapp drüber. Einmal zog ich mir in der Woche vor dem Start einen ekligen Virus zu, einmal war ich objektiv verletzt. Der Trainer guckte einfach nur missbilligend.
Deshalb war ich überzeugt, versagt zu haben. Andere schafften das doch auch, Training, Familie, Job, Wettbewerb. Genau das war mein Problem: andere. Mein Achim hat mir klar gemacht: Du bist nicht andere. Wenn Pläne nicht funktionieren, habe nicht ich ein Problem, sondern der Plan. Ich kann, ich muss, ich will improvisieren und nicht jeden zweiten Tag so was wie »E, ABC, 8 x 1 000 in 4:45, alle 7 ab, 20 A« abdienen. Ich muss keinem Trainer gefallen, sondern mich wohlfühlen.
Paradox, aber wahr: Der Abschied von den Machbarkeits-Fantasien hat mich besser gemacht. Wenn ich absehen kann, dass ich in drei, vier Wochen an einem Wettbewerb teilnehmen kann und will, dann mache ich freiwillig ein paar Tempoläufe, eben jene zügigen Einheiten, die mich früher so gequält haben. Es tut mir gut, in mich hineinzuhorchen und selbstständig zu entscheiden: Das macht mir Spaß.
An diesem sonnigen Morgen habe ich Zeit und Lust, 30 Minuten durch den See zu kraulen. Und in dieser freien Stunde am Nachmittag lege ich mich ins Bett zu einem Nickerchen. Vielleicht lese ich sogar in einem neuen Buch, das mir revolutionäre Rezepte verspricht, mit denen ich garantiert noch schneller noch besser werde. Diesen Plan zwar zu studieren, aber nicht umsetzen zu wollen, das ist einer meiner größten Erfolge.
TKLT
Der Tagesablauf Friedrichs folgte fast zwanghaften Gewohnheiten.
Text zur Potsdamer Ausstellung Friederisiko über Friedrich den Großen
Einer meiner schönsten Fehler ist der Glaube an Terminkalenderoptimierungen, vor allem, wenn die Hauptstadt wieder durch S-Bahn-Durcheinander und Baustellen lahmgelegt wird. Jahrelang habe ich Terminkalenderlückentraining (TKLT) vertraut, weil ich fest überzeugt war, in 60 freien Minuten eine befriedigende Trainingseinheit unterzukriegen.
Nehmen wir das klassische Beispiel: mein später Morgen, der öfter mal frei ist. Gestern fiel Bewegen schon aus, weil der Sohn leicht fieberte. Heute möchte ich acht Kilometer wetzen, gern etwas zügiger. Das Zeitfenster steht offen zwischen Kind in der Schule abliefern um 8.30 Uhr und dem lebenswichtigen Meeting in der City um Punkt 11 Uhr, wo ich mit duschnassen Haaren aufzukreuzen gedenke. Wer lässig auf sein Morgentraining verweist, hebt
Weitere Kostenlose Bücher