Beweislast
gut sein?«, brüllte Eckert ebenso laut hinaus – auch in der Hoffnung, dass vielleicht doch noch jemand vorbeikommen würde. Allerdings musste er sich sofort eingestehen, dass er dies nicht wirklich wünschte. Egal, was jetzt geschah, es konnte nur das Falsche sein. Es sei denn, so machte sich plötzlich ein ganz anderer Gedanke breit, es sei denn, es würde ihm gelingen, diesen Kerl da draußen auszuschalten.
34
Was Häberle am nächsten Morgen von den Kollegen der Schutzpolizei erfuhr, verschlug ihm die Sprache. Vergangene Nacht, so teilte Hauptkommissar Edwin Scholz mit, hätten offenbar Unbekannte versucht, den Baucontainer der Firma Pottstett-Bau in Brand zu setzen. Bei Betriebsbeginn heute Früh habe der verantwortliche Bauleiter namens Simon Eckert mitgeteilt, dass die Rückseite des Containers völlig verrußt sei, den Brandanschlag aber ansonsten überstanden habe. Der Schaden betrage um die 5000 Euro.
Häberle bedankte sich für den Hinweis und legte den Telefonhörer auf. Er berichtete dies sofort den Kollegen, die sich im Lehrsaal versammelt hatten.
Ratlosigkeit machte sich breit. »Wenn das kein Zufall ist, weil nächtliche Vandalen unterwegs waren – was dort draußen eigentlich ziemlich unwahrscheinlich ist, dann steht zu befürchten, dass möglicherweise irgendjemand Spuren vernichten wollte«, meinte Linkohr.
»Weiß man denn, um wie viel Uhr das war?«, fragte ein Kollege.
»Nein. Der Bauleiter sagt, er sei um 18 Uhr gegangen und da sei ihm nichts aufgefallen«, zitierte Häberle den Schutzpolizisten.
Linkohr runzelte die Stirn. »Ein Anschlag vom Blücher?«
»Zuzutrauen wär ihm das«, meinte Häberle, »dem Blücher ebenso wie dem Steinberg-Schorsch.«
Thomas Speckinger, der neben dem EDV-Spezialisten Kai Stange stand, witzelte: »Ihr meint, die Front zwischen den Höfen läuft genau durch die Baustelle dort?«
Einige Kollegen lachten laut auf.
»Ich schlage vor«, wandte sich Häberle grinsend an Speckinger, »du knöpfst dir den Eckert vor. Er soll sich mal überlegen, wer Interesse daran haben könnte, dass seine Baubude in Schutt und Asche versinkt.« Der Chefermittler überlegte. »Ja, und wenn es die Lage erfordert, dann schaust du noch bei unseren Bauernkriegern vorbei. Vielleicht hat ja auch noch einer etwas gesehen oder gehört.«
Specki verdrehte die Augen. Das hatte ihm gerade noch gefehlt.
An einem der vorderen Schreibtische gab das Telefon einen schrillen elektronischen Ton von sich. Ein Beamter nahm ab und reichte den Hörer an Häberle weiter. »Und da besteht keinerlei Zweifel?« Die Gespräche der umherstehenden Kriminalisten verstummten. Sie hatten bereits am Tonfall ihres Chefs bemerkt, dass es eine Neuigkeit geben würde.
»Und die Wahrscheinlichkeit ist wie immer eins zu so und so viele Millionen?«, vergewisserte er sich noch einmal, um dann zufrieden »mhm« zu brummen. »Mailt uns bitte den ausführlichen Bericht her – für den Amtsrichter.« Noch einmal lauschte Häberle in den Hörer, was die Spannung unter den Mitgliedern der Sonderkommission ins schier Unerträgliche steigerte. »Jaja«, sagte er, »die Vergleichsblutprobe kriegen Sie noch heute. Mit einem Kurier, kein Problem.«
Häberle wollte das Gespräch beenden, lächelte seinen Kollegen zufrieden zu, musste sich aber offenbar noch etwas anhören. »Doch, doch«, forderte er den Anrufer auf, »die brauchen wir trotzdem. Machen Sie bitte weiter. Aber mehr wirds jetzt vermutlich nicht mehr … Ja, da kann ich Sie beruhigen.« Er verdrehte die Augen, weil der andere zu keinem Ende zu kommen schien. »Ich danke jedenfalls für die schnelle Information«, sagte er und legte auf.
Häberle verschränkte die Arme und sah in die Runde. »Das DNA-Gutachten liegt vor«, berichtete er ruhig und emotionslos, wie er dies in solchen Momenten immer zu tun pflegte, wenn eine innere Anspannung von ihm abfiel. »Die Kollegen wollten uns schon mal vorab informieren. Wir haben den Täter überführt.«
Keiner sagte etwas. Sie warteten alle darauf, dass Häberle den Namen nannte.
Monika Ketschmar hatte bemerkt, dass Gerhard schweißnass aufgewacht war. Gestern Abend hatte es so ausgesehen, als würde sich sein psychischer Zustand stabilisieren. Er war aus eigenem Antrieb heraus auf die Idee gekommen, zum Einkaufen zum Steinberghof hinaufzufahren. Doch nach seiner Rückkehr schien alles noch schlimmer geworden zu sein. Wahrscheinlich hatte er mit dem alten Bauern viel zu viel Most getrunken, um
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