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Bewusstlos

Bewusstlos

Titel: Bewusstlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Gerlinde legte sich meist noch mal ein oder zwei Stunden hin und kümmerte sich dann um den Haushalt und das Mittagessen.«
    Kein einfaches Leben, dachte Richard, aber gut aufeinander abgestimmt und perfekt organisiert. Alle Achtung.
    Lars setzte sich dazu. »Und wie war es am Samstag früh?«
    Weber schluckte und spielte nervös mit seinen Fingern. »Am Samstag bin ich von selbst um zehn nach sieben aufgewacht und hab mich gewundert, dass Gerlinde mich nicht geweckt hatte. Ich arbeite nämlich auch samstags. Es war überhaupt so ungewöhnlich still in der Wohnung. Sogar Leo hat noch geschlafen. Ich bin dann aufgestanden und wollte gucken, was los ist, und hab Gerlinde gesucht. Sie war nicht da.«
    »Und da haben Sie sich sofort Sorgen gemacht?«
    »Natürlich! Man macht sich immer Sorgen, wenn irgendwas völlig anders ist als sonst.«
    »Was dachten Sie denn, wo sie sein könnte?«
    »Ich dachte gar nichts. Mir fiel einfach nichts ein, ich hatte nicht die geringste Erklärung, und das war das Schlimme. Wo soll man denn sein um diese Zeit, wenn noch alles geschlossen ist?«
    »Herr Weber«, fragte Lars jetzt ganz direkt, »mal ganz ehr lich: Haben Sie sich vielleicht am Freitagabend mit Ihrer Frau gestritten?«
    Webers blasse Gesichtshaut färbte sich rot. »Nein, hab ich nicht. Wir streiten uns nie. Ich streite mich auch nicht mit den Kindern. Ich streite mich überhaupt nicht mit Menschen, die ich mag. Wenn Gerlinde anderer Meinung war als ich, dann war das eben so. Da hab ich nicht weiter diskutiert. Ich hab ihr ihren Willen gelassen, und sie war glücklich. Das find ich viel besser, als so einen fürchterlichen Streit, der nur schlechte Laune bringt, und vielleicht guckt man sich ein paar Tage lang nicht an. Das kann ich nicht aushalten.«
    Richard glaubte ihm sogar. Der Mann klang überzeugend.
    »Und was passierte dann?«
    »Die Polizei war hier. Ich glaube, das war schon um halb acht.«
    »Herr Weber, wie viel Geld hatte Ihre Frau normalerweise bei sich?«
    »Nicht viel. Immer nur so viel, wie sie brauchte.«
    »Und beim Zeitungsaustragen?«
    »Kaum was. Im Grunde nur einen Notgroschen. Man weiß ja nie.«
    »Wie viel ist das so ungefähr?«
    »Zehn oder zwanzig Euro. Mehr auf keinen Fall.«
    Richards Vermutung hatte sich durch Viktor Webers Aussage nur bestätigt. Gerlinde war keinem Raubmord zum Opfer gefallen.
    Lars fragte weiter: »Hatte Frau Gruber Feinde?«
    Weber schüttelte den Kopf. »Nein. Alle mochten sie. Alle.« Er rang nach Fassung und fuhr sich mit dem Ärmel über die Augen.
    »Aber wir stehen vor einem Rätsel, Herr Weber. Ihre Frau ist weder vergewaltigt noch beraubt worden. Wer könnte sie denn umgebracht haben? Und warum?«
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht.«
    »So wie ich Ihre Lebensgefährtin einschätze, war sie auch nicht jemand, der andere aus einer Laune heraus provozierte?«
    »Nein. Ganz bestimmt nicht. Nein.«
    »Also ja. Sie war niemand, der andere provozierte.«
    Richard warf Lars wegen dieser Spitzfindigkeit einen wütenden Blick zu.
    Weber war einen Moment irritiert, dann nickte er.
    »Bitte entschuldigen Sie«, flüsterte er, »aber ich kann nicht mehr. Ich würde jetzt gern ein bisschen schlafen.«
    Richard stand auf. Dieser Viktor Weber war ein richtiges Weichei, der sicher auch im Alltag bei jeder Kleinigkeit in Tränen ausbrach. Sympathisch war dieser Mann ihm nicht, aber er war ziemlich überzeugt, dass er nicht dem Mörder gegenübergesessen hatte. Oder aber Weber war ein sensationeller Schauspieler und reif für den Oscar.
    »Dürfte ich Sie dennoch bitten, morgen früh um neun ins Präsidium zu kommen? Wir brauchen Ihre Fingerabdrücke und Ihre DNA .«
    Weber nickte schwach, brachte Richard und Lars zur Tür und hielt dort einen Moment inne.
    »Sie können sich das vielleicht nicht vorstellen, aber ich war mal ganz unten«, sagte er leise. »Ein Wrack. Gerlinde hat wieder einen Menschen aus mir gemacht. So eine Frau wie sie gibt es nie wieder. Das weiß ich, da brauch ich gar nicht erst zu suchen. Und wissen Sie, warum ich so verzweifelt bin?«, fragte er und sah die beiden Kommissare an. »Weil ich ihr nicht folgen kann. Die Kinder brauchen mich.«
    Nach diesem Satz brachen alle Schleusen, er hatte keine Kraft mehr, noch länger um Fassung zu ringen, und weinte hemmungslos.
    Richard wollte etwas sagen, aber Viktor Weber drückte die Wohnungstür zu und ließ die beiden Polizisten einfach im Treppenhaus stehen.
    Schweigend gingen sie die Treppe

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