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Bewusstlos

Bewusstlos

Titel: Bewusstlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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vielleicht sollte er heute Abend mal in einen Biergarten gehen. Das hatte er schon jahrelang nicht mehr getan.
    Lilo kam herein und lächelte, als sie ihn sah.
    »Na, schon wach?«
    Es war nett gemeint, ging ihm aber als Begrüßung schon wieder auf die Nerven, und seine Miene verfinsterte sich, obwohl er es gar nicht wollte.
    »Na klar. Und du?«
    »Weißt du doch. Ich steh doch immer morgens um sieben auf. Wie geht’s dir?«
    »Gut. Übrigens danke für die Brote. Die kamen ganz gut gestern.«
    »Das freut mich.«
    »Hmm. Und sonst?«
    »Ich hab Probleme.«
    »Wieso?«
    Lilo reichte ihm einen Brief. »Hier, lies mal, ist gestern gekommen.«
    Raffael überflog den Brief. Nur einen entscheidenden Abschnitt las er laut: »… setzen wir Sie davon in Kenntnis, dass wegen des dringend erforderlichen Einbaus einer neuen Wasseruhr das Wasser vom 12. 6. 2011 bis voraussichtlich 19. 6. 2011 abgestellt wird.«
    Raffael ließ das Blatt sinken. »Ja, spinnen die denn total?«
    »Die versuchen, uns und die Inder im Parterre rauszuekeln. Mit allen Mitteln.«
    Raffael schlug mit der Faust gegen den Küchenschrank.
    »Was soll denn die Scheiße? Eine Woche ohne Wasser! Wie soll das denn gehen? Wir können doch nicht jeden Tropfen zum Waschen und Kochen und für die Klospülung hier raufschleppen?«
    Lilo wirkte ziemlich resigniert. »Wenn sie das Wasser erst einmal abstellen, dann stellen sie es nie wieder an. Weil sie uns damit kleinkriegen.«
    »Ruf die Hausverwaltung an.«
    »Hab ich schon. X-mal. Die sagen, das wäre die Entscheidung des Hausbesitzers. Und der lässt sich verleugnen.«
    Raffael sagte nichts, aber er kochte vor Wut.
    »Und es ist ja nicht nur das, Raffael. Hier wird gar nichts mehr repariert. Die Haustür unten schließt seit Monaten nicht mehr richtig, da steckt ein abgebrochener Schlüssel im Schloss, jeder kann hier rein. Wundert mich, dass die anderen leer stehenden Wohnungen noch nicht von irgendwelchem Pack besetzt sind. In meinem Keller war ich schon ewig nicht mehr, weil da kein Licht ist und ich ihn gar nicht mehr finden würde. Außerdem hab ich im Dunkeln Angst.«
    »Na klar.«
    »Im Treppenhaus ist das Geländer an einigen Stellen kaputt, das ist gefährlich, weil ich mich festhalten muss, wenn ich runtergehe, und ist dir schon mal aufgefallen, dass die Kabel aus den Verteilerdosen einfach raushängen? Ein Wunder, dass das Haus noch nicht abgebrannt ist.«
    »Nee, da hab ich nicht drauf geachtet.«
    »Und das Neueste weißt du wahrscheinlich auch noch nicht: Seit heute Morgen haben wir gar kein Licht mehr im Treppenhaus. Irgendjemand hat alle Glühbirnen rausgedreht.«
    Raffael war gefährlich ruhig, aber Lilo sah den unterdrückten Zorn in seinem Gesicht.
    Plötzlich stand er auf, schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und ging zur Tür.
    »Ich seh mir das mal an.«
    Lilo wollte noch etwas sagen, aber Raffael hatte schon seine Schlüssel geschnappt, war zur Tür hinaus und lief die Treppe hinunter.
    Im Treppenhaus baumelten die leeren Fassungen von der Decke, und durch die seit Jahren nicht mehr geputzten verdreckten Fensterscheiben drang kaum Licht.
    Raffael spürte, wie ihm die Galle hochkam.
    Als er ins Erdgeschoss kam, sah er einen dicken Mann im grauen Arbeitsanzug, der dabei war, die Hausbriefkästen abzuschrauben. Er war ungefähr Mitte sechzig, hatte kaum noch Haare auf dem Kopf, trug keine Brille, aber kniff seine Schweinsäuglein so zusammen, als ob er dringend eine bräuchte.
    Das war er. Das musste der Hausmeister sein.
    Raffael hatte Lust, ihn mit einem einzigen Faustschlag auf seinen Hinterkopf niederzuschlagen, dass er die Englein singen hörte, aber das taugte nichts, denn dann hätte der Kerl nicht gewusst, warum. Also sprach er ihn an.
    »Hallo, Sportsfreund. Was soll denn die Scheiße hier? Was machst du da?«
    »Für Sie immer noch Herr Vössing. Ich bin hier der Hausmeister und schraube die Briefkästen ab. Sehen Sie doch.«
    »Und was soll das, du Idiot?«
    »Auftrag vom Eigentümer. Das Haus soll von Grund auf saniert werden.«
    Raffael wurde immer wütender. Er platzte fast. Da wagte es dieser feiste Drecksack, ihn mit solchen Sprüchen abzuspeisen!
    »Pass mal gut auf, du fettes Schwein. Ich wohne hier. Und ich kriege hier in diesem Haus meine Post. In diesem verfickten Briefkasten. Und du lässt den da jetzt gefälligst hängen, kapiert?«
    »Ach so, dann sind Sie also der Untermieter von Frau Berthold? Sie wissen, dass das verboten ist? Wenn das der Eigentümer

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