Bezaubernde Spionin
intrigierten. Doch seit einigen Monaten hielten sich die hartnäckigen Gerüchte, dass Bedford mithilfe der England ergebenen Lowlands-Clans jetzt eine förmliche Beschwerde vor den Hof bringen wollte, dies mochte an den Haaren herbeigezogen sein, aber ihre Auswirkungen auf die Clans, die zwar nicht viel von den Engländern hielten, aber auch James nicht sonderlich zugetan waren, weil er aus der verhassten Familie der Stewarts stammte, waren nicht absehbar. Und alles drehte sich um diesen verwünschten Stein von Scone, den Edward I. von England vor fast dreihundert Jahren aus Schottland geraubt hatte. Es war der offizielle Krönungsstein der Schotten, auf dem bis dahin jeder schottische König gekrönt worden war, so wie es die alte Sitte vorschrieb. Falls es John zum Beispiel im schlimmsten Fall gelänge, einen hohen schottischen Adligen dazu zu bringen, sich auf diesem Stein krönen zu lassen, als schottischer Gegenkönig sozusagen, war nicht abzusehen, wie viele unzufriedene oder schwankende Clans sich ihm anschließen würden. Ein Bürgerkrieg könnte die verheerende Folge sein. Damit wäre die ohnehin schon hart ums Überleben kämpfende Monarchie in Schottland vermutlich am Ende und das Land eine leichte Beute für englische Invasoren. Aber so weit wollte Aylinn nicht denken. Ihr Plan, den sie auf Geheiß der Königin mit Juliet geschmiedet hatte, sah vor, den Aufenthaltsort dieses Steins in Erfahrung zu bringen, den die Engländer irgendwo sicher versteckt hatten, und ihn wenn möglich nach Schottland zurückzuschaffen.
»Allerdings«, fuhr die Königin fort. »Dieser vermaledeite Felsbrocken, auf dem diese abergläubischen Clans ihren Häuptling der Häuptlinge und später ihre Könige gekrönt haben.« Sie schnaubte verächtlich. »Es ist zwar nur ein Stein, aber Unsere Schotten sind ein abergläubisches Volk. Wenn jemand ihnen einflüstert, dass nur ein auf diesem Stein gekrönter Monarch ihr wahres Oberhaupt sein könnte …« Sie hob eine Braue und sprach den Satz nicht zu Ende. Musste sie auch nicht, denn Aylinn verstand sehr gut.
» … würde Seine Majestät als Usurpator angesehen«, beendete sie den Satz.
»Und jeder Treueschwur, der ihm bei seiner Krönung geleistet wurde, wäre hinfällig.« Joan Beaufort schüttelte den Kopf. »Dazu darf es nicht kommen. Die Loyalität der Clans zur Krone steht ohnehin auf wackligen Füßen. Wenn der englische Regent jetzt noch diesen Trumpf ausspielt …«
Dann, dachte Aylinn, haben die Pläne meines Vaters und der abtrünnigen Stewarts am Ende doch noch Erfolg. Aber dazu wird es nicht kommen. Sie würde herausfinden, wo Bedford diesen Stein versteckt hatte, und sie würde auch eine Möglichkeit finden, ihn zurückzuholen.
»Allerdings ist Uns zu Ohren gekommen, dass der Herzog nicht gänzlich unumstritten ist. Offenbar sammeln sich auch in England Kräfte, welche bereit wären, die Unabhängigkeit Schottlands zu akzeptieren. Vielleicht würden sie uns sogar den Stein von Scone zurückgeben. Unter welchen Bedingungen freilich und wer genau zu diesen Leuten gehört, entzieht sich Unserer Kenntnis.« Die Königin seufzte. »Vor einem Jahr hätten Wir Unsere geliebte Cousine Juliet als … Gesandte nach England schicken können. Sie hätte uns zweifellos dort ebenso gute Dienste geleistet wie zuvor hier in Schottland. Aber«, die Königin warf Juliet, die auf einem weniger prachtvollen, aber ebenso weich gepolsterten Stuhl neben ihr saß, einen bedauernden Blick zu, »nach den Ereignissen während der Inthronisierung Unseres Gemahls kam das nicht mehr infrage. John von Bedford wäre nach der Rolle, die Juliet dabei spielte, sofort klar gewesen, aus welchem Grund Wir sie zu ihm geschickt hätten. Nämlich um für Uns zu spionieren.« Sie seufzte. »Nun, dieses Thema hat sich nach ihrer Heirat mit Connor McPherson und ihrer Mutterschaft endgültig erledigt.« Die Königin lächelte, als Juliet McPherson ihre Worte mit einem und ganz und gar nicht zerknirscht wirkenden Nicken bestätigte. Dann wurde ihre Miene ernst, als sie Aylinn wieder ansah. »Aber als Unsere Beraterin ist Juliet nach wie vor unverzichtbar. Denn schließlich ist sie auf die Idee gekommen, Euch zu fragen, ob Ihr diese Aufgabe übernehmen wollt.«
»Majestät, ich würde mich mehr als nur geehrt fühlen, für Euch und Schottland …«
»Wartet, meine liebe Herzogin, nicht ganz so schnell.« Die Königin hob die Hand und musterte Aylinn scharf. »Dieser Auftrag ist in mehrerlei Hinsicht heikel,
Weitere Kostenlose Bücher