Beziehungskiller: Kriminalroman (German Edition)
zwischen zwei Bissen, als sein Chef
ins Stocken geriet.
»Genau.
Uns kam der Gedanke durch die Unordnung in der Toilette, woraufhin eine
genauere Untersuchung veranlasst wurde, deren Ergebnis die Vermutung
unsererseits bestätigte.«
»Dazu
braucht ma doch a Labor, ham S’ des do? Sonst kennans des doch gar net wissen«,
fragte Urner.
»Sie
ham vollkommen recht, aber das reicht uns vorläufig schon. Seien S’ versichert,
dass zur Gerichtsverhandlung harte Fakten vorliegen wern.« Das war nun
Schirmdorfer, der geantwortet hatte.
Es war
richtiggehend witzig. Alle redeten um den heißen Brei herum. Die wirklich entscheidende
Frage war nur, mit wem Duvenbeck geschlafen hatte und ob Körthy das wusste.
Doch die Frage traute sich niemand zu stellen.
»Mit
wem war unser Gastgeber also nun in seinen letzten Stunden zusammen?«, übernahm
ich es zu fragen, denn Körthy schien darauf zu warten.
»Eine
gute Frage, Herr Doktor Linder, eine sehr gute Frage.«
»Des
kann ma do analysieren!«, rief Urner. »So was is doch heutzutage überhaupt kein
Problem mehr. DNA, des kennt ma ausm Fernsehen.«
»So
einfach ist das nicht, Herr Abgeordneter. Es gibt verschiedene Details, die so
eine DNA-Untersuchung erschweren.«
»Ach
woher! Sie nehmen einfach a Genprobe der anwesenden Frauen, und die Sache ist geritzt«,
meinte Urner.
»Keineswegs.
Da braucht die Polizei unter anderem eine richterliche Erlaubnis, und sonntags
um diese Uhrzeit könnte das ein Problem sein«, antwortete Laura.
»Sehr
richtig. Allerdings ließe sich das schon einrichten, wenn nicht andere Umstände
eingetreten wären.«
»Welche
denn?«
»Es
gibt gewisse Vorrichtungen, die …«, wollte Körthy sagen, aber Bernhard ließ ihn
nicht ausreden.
»Er hat
offenbar an Gummi ghabt. Deswegen kenn ma uns die DNA in d’Haar schmieren.«
»Aber
…«
»Nix
›Aber‹, der Pariser ist weg. Unauffindbar.« Bernhard hatte mittlerweile seinen
Teller geleert und schöpfte sich nach. Er goss die Bratensauce auf seinen
Teller. Ein bisschen auf den Braten, ein bisschen über die goldgelben Erdäpfel.
»Wir
vermuten, dass das Kondom im Kachelofen entsorgt wurde. Die Expertenmeinung
geht dahin, dass wir keine Spuren mehr vorfinden werden. Seien Sie aber nicht
allzu enttäuscht, dieser Sachverhalt hat unbestreitbar seine guten Seiten. So
eine technokratische Lösung bei so einem wunderbaren Fall, das wäre doch nicht
recht.« Körthy strahlte. Der Mann wurde völlig von der Vorstellung in den Bann
geschlagen, auf irgendeine bizarre Art und Weise in einen Agatha-Christie-Roman
hineingezogen worden zu sein. So einen Zustand nennt man, so weit ich weiß, in
der Fachsprache pathologisch.
»Also
wissen S’ überhaupt nichts«, stellte Krobath arrogant fest.
»Na,
na, na, Herr Krobath. So einfach ist das nicht. Es gibt da so eine
Ordnungsstruktur, die für den Kriminalisten noch wichtiger ist als alles
andere, was wir bis jetzt vorgenommen hatten.«
»Was
denn?«, fragte Jenny.
Für
diese Frage hatte, laut Augustinus, der liebe Gott eine eigene Hölle
eingerichtet. Dementsprechend antwortete auch Körthy.
»Die
Zeit! Vergegenwärtigen wir uns also den Ablauf des letzten Abends.« Er machte
wieder eine Pause und trank den letzten Schluck Rotwein aus seinem Glas. »Aus
Süßem mache ich mir eigentlich nicht allzu viel. Aber wie ich gehört habe, soll
es hier einen ganz speziellen Schokoladenkuchen geben. Der und ein Kaffee, das
wäre jetzt genau das Richtige. Wollen wir nicht hinüber in das Musikzimmer
gehen, dort ist es doch wesentlich gemütlicher.«
Da alle
ihre Mahlzeit beendet hatten, wurde seinem Wunsch entsprochen. Gina schob den
Servierwagen mit dem Schokokuchen hinüber, Frau Irmi räumte ab, und die anderen
gingen hinüber in den Salon. Am liebsten hätte ich der Haushälterin geholfen
und sie merkte das auch, aber Körthy wäre das gar nicht recht gewesen.
Ein
paar Minuten später saßen alle im anderen Raum um den Tisch, nur Körthy lehnte
am Klavier. In der Hand hielt er einen Schwenker mit Cognac und streichelte die
Tasten. Auf dem Hocker standen ein Untersetzer mit seinem Kaffee und ein
Aschenbecher. Als Frau Irmi wieder bei uns war, zündete sich der kleine Ungar
umständlich eine Zigarette an und nahm seinen Gedankengang von vorhin wieder
auf.
»Die
Zeit ist die große Richtschnur des Kriminalisten. Sie gibt allem einen
Zusammenhang und eine Richtigkeit. Ist einmal die Chronologie eines Falles
etabliert, ergibt sich alles andere wie von selbst.
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