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Bezueglich Enten und Universen

Bezueglich Enten und Universen

Titel: Bezueglich Enten und Universen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neve Maslakovic
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B
 – und zog sie mir dann tief in die Stirn. Ich wollte nicht von Nachbarn mit Felix B verwechselt werden. Den gepflasterten Weg entlang, der mitten durch den Komplex führte, vorbei an einem Gemeinschaftspool, wo Kinder in der immer noch kräftigen Sonne des Spätnachmittags planschten, ging ich weiter. Im Vorübergehen bemerkte ich, dass die Kombination aus Spielplatz und Fitnesspark, die es in meiner Realität gab, hier aus einem großen Gelände mit nummerierten Stellplätzen für Autos bestand.
    Unmittelbar bevor ich den Innenhof von Gebäude J erreichte, von dem aus Treppen zu den Wohnungen in den Obergeschossen führten, kam mir der Gedanke, dass ein klein wenig mehr Heimlichtuerei vielleicht angebracht sein könnte. Was, wenn Felix B bereits aus Carmel zurück war, zufällig aus dem Fenster sah und meine Verkleidung mit der Baseballkappe aufder Stelle durchschaute? Ich hätte natürlich behaupten können, dass ich ihm einen Besuch abstatten wollte, aber so war es nicht.
    Ich zog mir die Kappe so tief ins Gesicht wie möglich, hielt mich im Schatten und ging vorsichtig weiter. Aus der Richtung des Parkplatzes näherte sich ein Paketbote. Er tippte sich grüßend an die Mütze und sprang, zwei Stufen auf einmal nehmend, zum obersten Stock von Gebäude J hinauf. Die drei ältlichen Bewohner, die auf dem Rasen Boccia spielten, bemerkten mich nicht.
    Der Egret’s-Nest-Apartmentkomplex. Direkt an den Feuchtgebieten von San Francisco gelegen, wo die Bucht in einem sumpfigen Mischmasch aus Wasser, Gras und Wildflora in festes Land überging. Die Wohnungen waren preiswert, boten annehmbaren Komfort und hatten einen tollen Blick, vor allem die begehrten Apartments ganz oben. Im Schatten des Gebäudes bleibend, schlich ich auf die der Bucht zugewandte Seite, eilte noch ein Stück weiter, bis ich die Veranda erreichte, die zu meiner eigenen Wohnung im Erdgeschoss gehörte. Ich hielt mich dicht an der Mauer, damit mich von drinnen niemand sehen konnte. Eine Frau, die gerade ihr Haustier in den Sumpfgebieten ausführte, warf einen erstaunten Blick in meine Richtung. Ich lächelte ihr fröhlich zu, um zu zeigen, dass ich nicht gekommen war, um jemanden auszurauben. Dann wartete ich, bis sie mit ihrem langsam dahinschlurfenden, langhalsigen Strauß, der ihr brav wie ein Lämmchen folgte, außer Sichtweite war. Ich warf einen schnellen Blick über das Geländer. Die gläsernen Schiebetüren waren geschlossen, die Jalousien heruntergelassen. Es gab keinerlei Lebenszeichen.
    Ich hatte die Studenten darüber sprechen hören, dass es für Alter ungewöhnlich war, identische Wohnungen zu wählen, vor allem in einem großen, dicht besiedelten Gebiet wie San Francisco. Unsere gemeinsame Vorliebe für einen Blick aufs Wasser,selbst wenn es sumpfig war, hatte sowohl mich als auch Felix B zu Apartment 003 geführt. Was, wenn mein zukünftiger Kriminalroman und sein bereits in Arbeit befindlicher (vollständiger?) sich so sehr ähnelten, dass es an ein Plagiat grenzte? Wenn sein Buch als erstes herauskam, würde mein eigenes als billige Kopie gelten. Vielleicht, wenn ich mich ganz schnell hinsetzte und
endlich
etwas schrieb, konnte ich den Spieß noch umdrehen.
    Ich schlich über die Veranda zum Fenster des Arbeitszimmers, da ich mir selbst selten die Mühe machte, dort die Jalousie herunterzulassen – die Sonne erreichte sowieso nur ein winziges Stück Teppich. Die Jalousie war tatsächlich hochgezogen. Ich blickte mich ein letztes Mal nach Spaziergängern um, dann legte ich die Stirn ans Glas und schirmte das Sonnenlicht mit beiden Händen ab.
    Das Erste, was ich sah, war eine Pendeluhr an der Wand, die, wie es Pendeluhren so an sich haben (und wohl auch Gruben, obwohl sie einem viel seltener über den Weg laufen), Erinnerungen an Edgar Allans berühmte Geschichte weckte. Daneben hing ein Aquarell des Hauses in Carmel, das unsere Mutter vor langer Zeit gemalt hatte. Fast außer Sicht befand sich ein Ölgemälde, von dem man nur einen wohlgeformten, alabasterweißen Fuß erkennen konnte. Unterhalb des Fensters luden ein Lehnstuhl und eine Ottomane zum Lesen ein. Daneben stand ein Bücherregal und auf der Ottomane erblickte ich ein großes, geöffnetes Postpaket. Es enthielt die andere Hälfte von Tante Henriettas Sammlung von Delfinfigürchen. Der Versand nach Universum B musste den Nachlassverwalter ein Vermögen gekostet haben.
    Auf einem Schreibtisch im Hintergrund stand ein Computer. Der Bildschirm war dunkel, neben der

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