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Bezueglich Enten und Universen

Bezueglich Enten und Universen

Titel: Bezueglich Enten und Universen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neve Maslakovic
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warst du mit deinen Eltern auf dem Weg zur Brücke, entweder mit dem Aufzug oder über den Presidio. Eine binäre Entscheidung. Eine echte Weggabelung.«
    »Ich verstehe. Wenn wir den kürzeren Weg genommen haben, befanden wir uns auf der Brücke, als Professor Singh die Kopie des Universums anfertigte – als es zum Vepuz kam, meine ich –, und sollten wir den längeren genommen haben, waren wir irgendwo auf dem Presidio.«
    »Richtig.«
    »Und du und ich?«
    »Wir trennen uns und stoppen die Zeit auf beiden Wegen.«
    »Na großartig«, sagte ich und zog den Bauch ein wenig ein. »Ein bisschen Bewegung kann wohl nicht schaden. Ein Spaziergang ist genau das Richtige. Ich nehme den längeren«, fügte ich großzügig hinzu.
    »Nun – also gut. Achte darauf, ob du nach einunddreißig Minuten Gehzeit irgendetwas Interessantes bemerkst.«
    »Einunddreißig Minuten ...?«
    »Elf Uhr fünfzehn plus einunddreißig ergibt die Zeit des Vepuz.«
    Sie rückte ihren breitkrempigen Hut zurecht und wir trennten uns.
    Ich schlug ein gemäßigtes Tempo an. Anfangs war der Pfad schmal und führte im Zickzack einen Hügel hinauf, dann zog er sich über ein Felsband hinweg und wurde breit und eben. Hier gab es Studenten, die joggten oder auf Rollerblades und Scootern herumflitzten, anstatt die Seminare zu besuchen, für die sie eigentlich hier waren. Mehr als nur ein paar wenige lümmelten auf dem gepflegten Rasen des Campus herum und arbeiteten an ihrer Sonnenbräune statt an Algebra. Während ich weiterging, schwankte ich zwischen der Gewissheit, dass der Pfad in Universum A noch existierte und ich ihn irgendwann auch schon gegangen war, und dem genauen Gegenteil. Nicht, dass das irgendeine Rolle gespielt hätte. Aber es war ein hübscher Weg. In meiner eigenen Welt war der Presidio kein Universitätscampus, sondern eine Ansammlung von Museen – da war das beliebte Modemuseum, ein Naturkundemuseum mit Teich und Arboretum, ein Fußballmuseum und eines mit besonderen Errungenschaften aus Universum A. Ganz in der Mitte stand das winzige, aber berühmte Surfmuseum. Die Beförderer-Linie 66 umkreiste die ganze Anlage.
    Gelegentlich konnte ich einen Blick auf die Brücke erhaschen, während der Pfad mich an Studentenwohnheimen, Seminargebäuden, einem Auditorium und einer langen Reihe vonTennisplätzen vorbeiführte. Hinter den Tennisplätzen keuchte ich ein Steilstück empor und erreichte einen Eukalyptushain. Das Gras wuchs hier kümmerlich und war gelblich verfärbt. Ich ging durch den Hain und gelangte zu einer verlassenen Kanonenbatterie mit herrlicher Aussicht auf Baker Beach und das Riesenrad. Die Bastion war ein Relikt des neunzehnten Jahrhunderts und der Notwendigkeit, die Stadt gegen einen Angriff vom Meer aus zu verteidigen. Das Riesenrad, das sich langsam mit Gondeln voller Touristen drehte, war eine rekordverdächtige Hässlichkeit und sicherlich an windigen Tagen ziemlich instabil. Es gab eine Menge Stellen (etwa die Kanonenbastion), die sich sehr gut dafür zu eignen schienen, einen Entenschnulli wegzuwerfen.
    Dabei fiel mir wieder ein, dass ich auf die Uhr sehen sollte, und stellte fest, dass die Einunddreißig-Minuten-Marke bereits verstrichen war.
    »Na großartig«, murmelte ich. Ich überlegte, wie lange ich schon unterwegs war, und versuchte zurückzurechnen, brachte aber die Zahlen durcheinander und beschloss lieber nicht noch einmal umzukehren.
    Es war alles sehr kompliziert, dachte ich, während ich die lange hölzerne Treppe zur Brücke hinunterzugehen begann, aber kompliziert war ja nicht unbedingt schlecht. Ich drückte die Daumen, dass die Berechnung des Professors sich als falsch erweisen und die Schuld an Olivia May, einem lebhaften Reiher oder einem Seelöwen hängen bleiben würde. Andernfalls konnte ich nur hoffen, dass von uns beiden sich Felix B als der Verantwortliche herausstellen würde und sein Universum dasjenige war, das vom Hauptast abzweigte.
    Was mein anderes Anliegen betraf – wie der große Detektiv Sherlock Holmes es so schön ausdrückte: Es ist ein kapitaler Fehler, Theorien aufzustellen, ohne über ausreichend Daten zu verfügen. Ich musste mehr wissen, musste heimlich einen Blickauf Felix’ Roman werfen. Musste wissen, ob das Buch sich
irgendwie
zum Publikumsrenner eignete, einem Bestseller, der die Szene im Sturm eroberte – oder eher ein Klassiker war, ein Longseller, der sich jahrelang auf den Leselisten hielt. Mir schoss der Gedanke durch den Kopf, ob Mrs Noor nicht

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