Bianca Arztroman Band 0026
letzten Krümel von den Fingern.
“Ich kann noch einen vertragen”, sagte Andrew, beugte sich vor und wischte ihr mit der Papierserviette den Rest Ketchup vom Kinn. “Was ist mit Ihnen?”
“Nein, vielen Dank”, murmelte Cate mit heißen Wangen. Sie griff nach ihrem Weinglas und beobachtete Andrew nachdenklich, während er in der Wartereihe vor dem Imbisswagen stand. Ein Mann mit vielen Gesichtern, dachte sie und lächelte in sich hinein.
Dann war er wieder zurück und streckte seine langen Beine unter dem groben Holztisch aus, an dem sie sich zum Essen niedergelassen hatten. “Wie ist der Wein?”, fragte er mit erhobenen Augenbrauen.
“Wunderbar”, lächelte Cate und drehte das Glas in ihren Händen. “Sie hätten sich auch einen nehmen sollen.”
“Ich muss noch fahren. Außerdem haut mich Alkohol am helllichten Tag immer von den Füßen.”
“Auch, wenn es nur ein Glas Wein ist?”, fragte Cate skeptisch.
“Besser, Sie glauben mir”, gab er kurz zurück und stieß wieder dieses irritierend harte Lachen aus, bevor sein Gesicht sich verschloss. “Haben Sie heute Nachmittag schon etwas vor?”, fragte er dann abrupt.
“Warum?” Cate schaute forschend in seine Augen, in denen plötzlich bernsteinfarbene Flecken leuchteten. Raubtieraugen, schoss es ihr durch den Kopf, gefährlich und sehr wachsam. “Was haben Sie denn vor?”
“Ich muss mir verschiedene Wohnungen anschauen und überlege gerade, ob Sie mir nicht mit Ihren Ortskenntnissen zur Seite stehen könnten.”
“Ich dachte, Sie würden bei den Maguires wohnen”, sagte Cate erstaunt.
Er schüttelte den Kopf. “Diese luxuriöse Umgebung passt nicht zu mir. Selbst Pete und Ellie erscheint das Haus inzwischen völlig überdimensioniert, seit ihre Töchter ausgezogen sind.” Er spülte den letzten Bissen Hamburger mit seiner Limonade hinunter. “Ich brauche nur einen Platz, wo ich für die nächste Zeit unterschlüpfen kann. Ich habe keine großen Ansprüche.”
Aha, also der ungebundene, einsame Wolf, dachte Cate und wunderte sich über das beklommene Gefühl in ihrem Magen. “Wollen Sie denn gar keine Wurzeln schlagen?”
Andrew stieß ein grimmiges Lachen aus. “Sie hören sich schon an wie Ellie.”
“Nun, das ist doch auch eine ganz normale Überlegung”, verteidigte sie sich. “Immerhin haben Sie das richtige Alter dazu, oder?”
Er starrte sie wortlos an. Für ihn selbst unerwartet verspürte er plötzlich das Verlangen, Cates Haare aus dem Pferdeschwanz zu lösen und die seidige Flut durch seine Finger gleiten zu lassen. Ein sehnsüchtiges Begehren stieg in ihm auf und nahm ihm fast den Atem. Er wollte Cate, ganz und ohne Umschweife — und er war keineswegs schockiert von dieser Erkenntnis. Aber sie würde es wohl sein, wenn sie seine Gedanken hätte lesen können. Ein ersticktes Lachen stieg in seiner Kehle auf. Wenn ihre Bemerkung über Wurzeln ein Hinweis auf ihre Denkweise war, war Cate Clifford ganz bestimmt nicht die richtige Kandidatin für eine flüchtige Affäre.
Die begehrliche Flamme in seinem Inneren erlosch. “Das Alter hat damit gar nichts zu tun.”
Auch Cate zog sich in ihr Schneckenhaus zurück. Sein Blick hatte wieder Distanz zwischen ihnen geschaffen. Er schien ganz in sich versunken.
“Sind Sie okay, Andrew?”
Er zuckte zusammen. Ihre Stimme hatte ihn in die Gegenwart zurückgerufen. “Ja, es geht mir gut. Ich war nur gerade abgelenkt.”
Cate nagte an ihrer Unterlippe. “Erzählen Sie von den Wohnungsangeboten”, ermunterte sie ihn in dem Versuch, zur alten Leichtigkeit zurückzufinden.
Andrew lächelte. “Ach, ich will Sie doch lieber nicht damit belästigen. Ich habe noch genügend Zeit.” Er stand auf und warf seinen Pappteller in einen Mülleimer. “Kann ich Ihnen noch irgendetwas ausgeben?”
“Nein danke”, sagte sie mit klopfendem Herzen. “Ich denke, ich werde jetzt gehen.”
“Okay.” Er nickte kurz. “Bis dann also.”
Cates Gedanken rotierten in ihrem Kopf, während sie der hohen, schlanken Gestalt nachschaute, die sich zügig von ihr entfernte. Seine breiten Schultern machten einen abweisenden Eindruck, und er fuhr sich mit einer Hand ungeduldig durch das dunkle Haar.
Na prima, die Sache hatte er ja gründlich verdorben. Andrew lächelte bitter vor sich hin. Jetzt hatte sie wohl begriffen, was für ein konfuser Idiot er war. Und deshalb war es auch richtig gewesen zu gehen. Die Situation war ihm entglitten — er hatte sich ihr einfach nicht mehr gewachsen
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