Bianca Exklusiv 0189
nur selbst was vor, Conrad!“
Wäre die ganze Situation nicht so traurig gewesen, hätte Sephy Conrads erstaunter, verwunderter Gesichtsausdruck vielleicht sogar belustigt. Aber nun fuhr sie einfach fort: „Du hast mir doch selbst erzählt, dass du nicht in der Lage bist, eine engere Beziehung zu einem anderen Menschen aufzubauen, dass Liebe nichts anderes wäre als sexuelle Anziehung, die sich bald abnutzt. Nun, aber ich sehe das ganz anders, Conrad. Ich könnte mich einem Mann nicht einfach so hingeben. Wenn, dann müsste ich ihn schon von ganzem Herzen lieben und wissen, dass er meine Liebe erwidert. So bin ich eben.“
„Und was ist mit dem Mann, der dir so wehgetan hat? Hat er dir vielleicht den Himmel auf Erden und ewige Treue und Hingabe versprochen?“, konterte Conrad nun grimmig, nachdem er sich von dem ersten Schreck erholt hatte.
„Nein, das hat er nicht“, erklärte Sephy und senkte den Blick.
„Und trotzdem liebst du ihn immer noch.“
„Nein, und so war es auch nicht. Du machst dir da ganz falsche Vorstellungen“, erklärte sie und nahm allen Mut zusammen, bevor sie fortfuhr: „Ich habe nie mit David geschlafen.“
„Was?“ Conrad zog die Augenbrauen zusammen. „Aber du sagtest doch, dass du weder vor noch nach ihm mit einem anderen …“
„Dass ich nur hin und wieder mal mit jemandem ausgegangen bin“, unterbrach Sephy ihn schnell und dachte: Vielleicht ist es ganz gut so, dass unsere Beziehung, die ja eigentlich gar keine ist, auf diesem Wege ein vorzeitiges Ende nimmt.
Obwohl Conrad natürlich von Anfang an gewusst hatte, dass sie keine zweite Mata Hari war, war er bisher sicher nicht davon ausgegangen, dass sie trotz ihrer sechsundzwanzig Jahre noch nie … Vor Scham war Sephy mittlerweile tief errötet. Sie wusste ja, dass Conrad gern erfahrene Frauen im Bett hatte, aber damit konnte sie ihm nun einmal nicht dienen.
Das Schweigen zwischen ihnen wurde geradezu unerträglich, aber Sephy war entschlossen, es nicht zu brechen, auch wenn die Hand, mit der sie nun ihre Tasse Kaffee an die Lippen setzte, zitterte. Doch sie hatte den Rest des aromatischen Getränks noch nicht ganz hinuntergeschluckt, als Conrad sagte: „Das hättest du mir aber sagen sollen, Sephy.“
„Dass ich noch Jungfrau bin?“, fragte sie unumwunden, da es sinnlos war, um den heißen Brei herumzureden. „Aber das geht niemanden etwas an.“
„Bin ich für dich etwa ein Niemand?“, fragte er nun scharf, bevor er sich zusammennahm und erklärte: „Jetzt sieh mich doch nicht so an!“
Conrad konnte froh sein, dass sie nicht in Tränen ausbrach. Trotzdem gelang es Sephy schließlich, das Kinn ein wenig höher zu heben, während sie unter dem kleinen Pub-Tisch die Hände zusammenballte.
Sie hatte allen Mut zusammennehmen müssen, als sie sich vor sechs Jahren dazu entschied, ihre Heimatstadt zu verlassen und nach London zu gehen. Der Zwischenfall mit David Bainbridge hatte ihr Selbstvertrauen – das ohnehin schon immer ziemlich anfällig gewesen war – nachhaltig beeinträchtigt. Danach war sie erst einmal in sich gegangen – mehr noch –, hatte sich völlig zurückgezogen. Aber mit zwanzig war ihr klar geworden, dass sie sich aus dem selbst gewählten Gefängnis befreien und die Flügel ausstrecken musste.
Das abgewohnte, möblierte Einzimmer-Apartment vor den Toren Londons war am Anfang alles gewesen, was sie sich hatte leisten können. Aber sie hatte durchgehalten, hart gearbeitet und sich sogar gezwungen, hin und wieder mit einem Mann auszugehen, damit sie nicht völlig vereinsamte.
Über die Jahre war ihr Einkommen stetig gestiegen, sie hatte schließlich ihre Traumwohnung in der Innenstadt und einige Freunde gefunden. Und als Pat ihr anbot, Madge zu vertreten – und zwar nicht nur für Wochen, wie zunächst angenommen, sondern für mehrere Monate –, war die lang ersehnte Karrierechance gekommen.
Doch die ganze Zeit über hatte sich Sephy immer wieder sagen müssen, dass der Zwischenfall mit David ihr Leben nicht zerstören durfte. Sie wusste, dass die Sache in ihrem Heimatort die Runde gemacht hatte. Und später in der Firma bekamen ihre Kollegen bald mit, dass sie keinen Freund hatte. Immer schon hatte man über sie getuschelt. Aber Sephy hatte über all die Jahre den Kopf hochgehalten und gute Miene zum bösen Spiel gemacht und sich nur zu Hause die Wunden geleckt.
Das alles kann doch nicht umsonst gewesen sein, sagte sie sich jetzt. Wie aberwitzig, dass nach all den Jahren, in denen
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