Bianca Exklusiv Band 0088
ihr nicht traute.
Falls Ryan mit Robert Moncrieff zusammenarbeitete, gab er sich viel Mühe, Abstand zu seinem Partner zu wahren. Aufgrund ihrer besonderen Klarsichtigkeit, was Ryan betraf, wusste Tara, dass er versuchte herauszufinden, wie gut sie Robert kannte. Wahrscheinlich hatte er nur deshalb Roberts Einladung angenommen, um festzustellen, wie vertraut sie mit ihm umging. Und das war absurd, denn auch Robert interessierte sich nur für ihren Anteil an der Hall Bay Company.
Als sie zu diesem deprimierenden Schluss gekommen war, verbannte Tara entschlossen alle unangenehmen Gedanken und versuchte einzuschlafen.
5. KAPITEL
Am nächsten Morgen wollte Tara gerade das Apartment verlassen, als ein Bote bei ihr läutete. Er händigte ihr ein kleines Paket aus, für das sie eine Empfangsbestätigung unterzeichnen musste.
Neugierig öffnete sie wenig später das Päckchen und stieß einen Ruf des Entzückens aus. In einer Lackschachtel ruhte eine wunderschön gearbeitete Jadeschnitzerei: ein winziges Reh, das unter einem Baum lag. Sanft strich Tara über das Kunstwerk und freute sich an dem satten Grünton des Steins und der exquisiten Ausführung.
Im nächsten Moment runzelte sie die Stirn. Sie war keine Expertin für chinesische Kunst, aber sie wusste, dass diese Jadeschnitzerei ein kleines Vermögen gekostet haben musste. Vorsichtig stellte sie das Geschenk auf den Couchtisch und suchte dann in der Schachtel nach einer erklärenden Notiz, doch sie fand keine.
Das Telefon läutete. Geistesabwesend nahm Tara den Hörer ab.
“Guten Morgen, Tamara. Ich hoffe, Ihnen gefällt mein kleines Geschenk?”
“Robert!”, rief sie verwundert. “Was um alles in der Welt soll das?”
“Ich habe Ihnen doch gestern gesagt, es soll Ihr Schaden nicht sein, wenn Sie die Dinnereinladung annehmen.”
“Um Himmels willen! Wegen einer solchen Lappalie schenken Sie mir etwas derartig Kostbares und Schönes?”
“Freut mich, dass es Ihnen gefällt.”
“Natürlich gefällt es mir. Es ist wunderschön.” Tara atmete tief durch. “Hören Sie, Robert, ich kann Ihr kostbares Geschenk unmöglich annehmen.”
“Warum nicht? Sie haben es sich redlich verdient. Selbst ich komme nicht leicht an Marcel Chang heran. Jedenfalls hat Ihr chinesisches Geplauder offensichtlich den Bann gebrochen. Ich glaube, dass wir jetzt Mr. Chang für unsere Pläne interessieren können.”
“Aber das hat doch gar nichts mit mir zu tun”, protestierte Tara. Geschäftsleute verteilten keine wertvollen Geschenke, wenn sie sich davon keine Gegenleistung versprachen. Irgendwie hatte sie das unangenehme Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Nichts, was sie getan oder gesagt hatte, rechtfertigte eine solche Geste.
“Es tut mir leid, aber ich kann das Geschenk keinesfalls behalten. Trotzdem vielen Dank dafür”, sagte sie abweisend.
Anscheinend merkte er, dass es ihr völlig ernst war, denn er seufzte übertrieben. “Nun gut, Tara, wie Sie wollen. Aber eines Tages werde ich Ihnen die kleine Jadefigur doch noch schenken. – und wenn es zu Ihrer Hochzeit ist. Ich nehme die Schnitzerei allerdings nur unter einer Bedingung zurück: Sie müssen heute Nachmittag mit mir das Happy Valley besuchen. Am Abend reise ich nach Hause.”
Erleichtert und dankbar, dass er ihre Entscheidung akzeptierte, nahm Tara die Einladung mit mehr Begeisterung an, als sie vor wenigen Minuten für möglich gehalten hätte.
“Abgemacht”, stimmte sie zu. “Ich freue mich riesig.”
“Gut. Leider kann ich Sie nicht zum Lunch einladen, da ich zu tun habe. Soll ich Sie in Ihrer Wohnung abholen?”
Das ging Tara doch zu weit. “Nein, ich bin selbst zum Lunch verabredet. Wie wär’s, wenn wir uns im ‚Mandarin‘ treffen?”
“In Ordnung. Können Sie um halb drei dort sein?”
Nachdem Tara das bestätigt hatte, verabschiedete er sich und legte auf. Sie fragte sich, worauf sie sich da eingelassen hatte. Dann zuckte sie die Schultern. Was konnte ihr schon auf der großen Trabrennbahn im Happy Valley passieren? Außerdem liebte sie Pferderennen seit ihrer Kindheit und war früher mit ihrem Vater oft dorthin gegangen. Es würde also vermutlich ein erträglicher, wenn nicht sogar angenehmer Nachmittag werden.
Robert Moncrieff begrüßte Tara auf seine üblich überschwängliche Art und führte sie rasch zum Auto, so als sei jede Minute zu kostbar, um sie mit Geplauder zu vertun. Er nahm das sorgfältig eingewickelte Päckchen mit der Jadefigur, das sie ihm überreichte, und
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