Bianca Exklusiv Band 0088
sah ihn warnend an. “Ich kann mich um mich selbst kümmern. Wenn du mich noch einmal berührst, nehme ich irgendetwas und haue es dir so hart auf den Kopf, dass du …”
“Ich wette, das würdest du tun.” Gil rückte etwas näher. “Beruhige dich, verdammt. Du sollst dich unauffällig verhalten, wenn wir allein unterwegs sind. Roach wird uns nie wieder aus dem Zimmer herauslassen. Warum hat er von allen Frauen auf dieser Welt bloß dich eingestellt?”
Nikki war gekränkt. Obwohl sie jetzt noch sturer war als zuvor, konnte Gil wieder Tränen in ihren Augen sehen. Dafür hasste er sich selbst. Er hasste sie und Chandler und Caressa und Hollywood, die Welt und das Universum.
“Jetzt bleib da sitzen”, befahl er, “und hör zu. Ich bekomme viel dafür, dass ich bei dieser Scharade mitspiele. Und du auch. Wenn du das nicht professionell machen kannst, dann muss ich es für uns beide tun. Besonders, da du so großen Wert darauf legst, ein netter, gewöhnlicher Mensch zu sein und kein Profi.”
Nikki sah ihn zornig an. Sie unterdrückte die Tränen und hob trotzig das Kinn an.
Gil erwiderte gelassen ihren Blick. “Du machst mir keine Angst. Du gehst mir nur auf die Nerven. Und jetzt will ich ein paar Antworten. Warum bist du Imitatorin geworden, wenn du den Job hasst? Wo sind deine Eltern? Was ist mit ihnen geschehen?”
Nikkis Nasenflügel bebten. “Sie sind tot”, antwortete sie. “Sie waren Sänger, jedenfalls glaubten sie das.”
Meine Güte, dachte Gil, sie ist wirklich in schlechter nervlicher Verfassung. Ihm ging es auch nicht besser, doch er musste die Wahrheit herausfinden. Ihretwegen und seinetwegen.
“Sie glaubten, sie wären Sänger? Was ist ihnen passiert?”
Unglücklich schüttelte Nikki den Kopf. “Sie gehörten zu einer Folklore-Gruppe, den Keepers.” Sie sah ihn herausfordernd an. “Du hast sicher nie von ihnen gehört, oder? Niemand kennt sie.”
Er erwiderte ihren Blick ruhig. “Nein, ich kenne sie nicht.”
Nikki holte tief Luft. “Nun, die Gruppe war gerade auf einer Tournee, es war Winter. Das kleine Flugzeug ist in Kansas abgestürzt. Sie waren alle sofort tot.”
Gil wartete darauf, dass sie fortfuhr. Er versuchte zu verstehen, was in ihr vorging. Das einzige Gefühl, das sie zeigte, war Trotz. “Das ist alles”, sagte sie bestimmt. “Zufrieden?”
“Wie alt warst du damals?”
“Vier.” Plötzlich sah sie müde aus, überwältigt von Erinnerungen. Er wusste, wenn er sie jetzt drängte, konnte er wenigstens einen Teil der Wahrheit erfahren.
“Was ist dann mit dir geschehen?”, fragte er.
Nikki zuckte die Achseln. Einer ihrer Zöpfe hatte sich gelöst. Sie zog auch das andere Zopfgummi heraus und strich sich das Haar zurück. Dann band sie es so straff zu einem Pferdeschwanz zusammen, dass sie richtig streng wirkte.
“Meine Großmutter hat mich zu sich nach Hollywood genommen, die Mutter meiner Mutter. Jedenfalls für eine Weile. Ihr Enkelkind um sich zu haben, gefiel ihr nicht. Sie kam sich dann alt vor. Sie hielt sich für einen Filmstar.”
“War sie das?”, fragte Gil. “Hat sie wirklich Filme gemacht?”
“Oh, ich weiß nicht”, antwortete Nikki erschöpft. “Sie hatte einige kleinere Rollen. Meistens jedoch arbeitete sie als Kellnerin oder lebte vom Arbeitslosengeld. Ich passte nicht in das Bild, das sie von sich selbst hatte. Wir vertrugen uns nicht besonders.”
Gil musterte sie ernst. Er hätte am liebsten das Zopfgummi gelöst, damit ihr Haar frei über ihre Schultern fallen konnte. “Und was geschah dann?”, hakte er nach.
“Meine Tante nahm mich zu sich. Vaters ältere Schwester. Sie war ebenfalls Sängerin, oder versuchte es zumindest.”
“Aha”, meinte er. “Langsam sehe ich klarer. Deine Familie war offenbar nicht gerade erfolgreich.”
Nikki sah ihn nicht an. “Oh, meine Tante hatte Talent”, sagte sie. “Ich will nicht unfair sein. Doch irgendwie hatte sie kein Glück. Und sie ließ sich immer mit den falschen Leuten ein.”
Gil streckte den Arm auf der Rückenlehne aus, wobei er Nikki fast berührte. “Mit falschen Leuten meinst du sicher die falschen Männer, stimmt’s?”
Sie nickte. “Ja, die falschen Männer.”
“Und du hast alles mit angesehen”, bemerkte er und musterte ihr Profil. Sie hatte ein schönes Profil, und er hasste den traurigen Ausdruck in ihrem Gesicht.
“Ja. Ich glaube, sie war eine jener Frauen, die von Männern abhängig sind. Sie hat sich immer wieder mit diesen Kerlen eingelassen.
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