BIANCA EXKLUSIV Band 0174
lange Zeit keinen zweiten Job mehr“, bemerkte Anne versonnen.
„Soll das etwa heißen, dass du …“
Anne verstand, was er befürchtete. „Nein, ich kündige nicht vor dem Vierten Juli.“
„Ein Glück!“ Erleichtert atmete John auf und musterte prüfend ihr Gesicht. „Was ist mit Ryan? Hast du ihn angerufen?“
„Ja. Ich erreiche ihn aber nicht. Er ist verreist.“
„Bist du enttäuscht, dass er dir den Scheck nicht persönlich übergeben hat?“
Sie nickte. „Ein bisschen schon. Doch vielleicht ist es im Moment so am besten.“
John hatte das Gefühl, dass Anne und ihr leiblicher Vater unbedingt miteinander reden und eine Menge bereinigen mussten, behielt das jedoch für sich. Stattdessen sagte er: „Übrigens soll ich heute Abend zu einem Dinner in die Stadthalle und dort eine Rede halten. Ich möchte, dass du ganz offiziell als meine Partnerin mitkommst.“
Anne begriff, dass er damit allen zeigen wollte, wie ernst es ihm mit ihr war. Und obwohl ihr Herz wild hämmerte, weil sie befürchtete, nicht gut genug für ihn zu sein und Fehler zu machen, war sie sicher, dass sie aus Liebe zu diesem Mann alles schaffen konnte. „Gern“, willigte sie ein. „Und jetzt muss ich an die Arbeit. Ich habe viel zu tun.“
„Ich auch.“ Er drückte Anne an sich und küsste sie auf die Stirn. „Sehen wir uns später noch?“
„Worauf du dich verlassen kannst“, erwiderte sie lächelnd.
Leider gab es nicht nur viel zu tun, sondern auch noch einige Probleme. Einer neuen Meinungsumfrage zufolge hatte John wegen des Skandals um seinen Bruder fünf Prozent der Stimmen verloren. Und damit nicht genug, wurde er auch noch wegen seines Einsatzes für gleiche Rechte und gleiche Bezahlung berufstätiger Frauen sowie für staatliche Finanzierung von mehr Kindergärten und Kinderhorten von seinem gegnerischen Wahlkandidaten heftig angegriffen.
„Habt ihr das gelesen?“, fragte eine der Helferinnen empört und hielt einen Zeitungsartikel hoch. „In seinem Interview behauptet dieser Kerl, dass John die Familien zerstören will, indem er die Ehefrauen ermutigt, sich einen Job zu suchen.“
Lily verdrehte die Augen. „Was erwartet er eigentlich, das John sonst darüber sagen soll?“
„Vielleicht, dass Frauen in die Küche gehören und zum Kindergebären da sind“, scherzte eine andere Mitarbeiterin.
Alle lachten. „Nein, wartet mal!“, rief ein junger Mann. „Ich weiß es.“ Er rollte ein Blatt in die Schreibmaschine und las laut vor, während er tippte. „Pressemitteilung. John Westfield verkündete heute, dass er seine bisherige Ansicht über die amerikanische Familie geändert hat. Er vertritt nun den Standpunkt, sie sei völlig überholt.“
„Oder hat höchstens eine Berechtigung“, fuhr jemand lachend fort, „wenn die Frauen nur für ihre Ehemänner da sind, ihnen treu dienen …“
„Babys am laufenden Band bekommen …“
„Fußböden schrubben …“
Der Mann an der Schreibmaschine tippte eifrig mit und las vor: „Schließlich wissen wir alle, dass Frauen bei weitem nicht so intelligent und fähig sind wie Männer.“
Einige Mädchen warfen ihm zusammengeknüllte Papiere an den Kopf, lachten und scherzten weiter. Lily machte mit, bis sie die Anwesenden nach einigen Minuten aufforderte, wieder zu arbeiten. Dann nahm sie das Blatt und ging damit zu John, der auch darüber lachen sollte.
Abends wählte Anne das hübscheste Kleid aus, das sie besaß. Ein zartgelbes, ärmelloses Kleid mit dazu passendem Jäckchen. Sie steckte sich das Haar hoch, ließ an den Seiten einige Locken herunterhängen und legte große goldene Ohrringe sowie eine breite Goldkette an.
John, der Anne pünktlich abholte, pfiff bewundernd durch die Zähne. „Du siehst fantastisch aus“, sagte er und küsste ihre Hand.
„Du aber auch“, gab Anne das Kompliment zurück.
Der Abend verlief ausgezeichnet. Die Halle war vor allem mit Johns Anhängern gefüllt, die ihn und seine Rede begeistert aufnahmen.
„Es ist kaum zu glauben“, bemerkte John später, als er mit Anne in ihrem Haus war. „Sie haben mich nicht bekämpft, sondern sogar noch Geld für mein Wohnprojekt gespendet.“
„Was mich nicht überraschte. Du bist ein wortgewandter Redner und ein überzeugender Politiker.“
John lächelte irgendwie traurig. Offensichtlich bedrückte ihn der Stimmenverlust. „Meinst du das wirklich?“
„Ja, John. Das ist meine ehrliche Meinung.“ Wie konnte sich dieser so selbstsichere Mann überhaupt wegen so
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