Bianca Exklusiv Band 11
sah eine Gruppe Männer, die in einem zwanglosen Kreis zusammensaßen. Einer der Männer - Linda nahm an, dass er der Medizinmann war - hielt einen Stab in der Hand, an dessen Ende Stahlspitzen wie Giftzähne einer Schlange angebracht waren. Mit diesem Stab fuhr er über Arme und Brust der anwesenden Männer, bis das Blut hervorquoll.
„Warum tut er das?" flüsterte Linda.
„Das ist ein Teil des Reinigungsrituals", erklärte Trevor ihr. „Dem Glauben nach reinigt das Bluten ihren Körper. Es wird vor dem Federtanz gemacht. Ein weiterer Teil des Reinigungsritus ist der schwarze Trank'. Es ist ein Emetikum aus Kräutern. Er dient ebenfalls dazu, Körper und Seele zu reinigen."
Linda fragte sich, ob Trevor ebenfalls an diesen alten Bräuchen teilnahm. Im Moment schien er sich damit zu begnügen, zuzuschauen und ihr die Rituale zu erklären.
Am fernen Horizont zog ein Gewitter auf. Der Rhythmus der Instrumente, der einförmige Gesang, die exotische Umgebung - das alles hatte eine hypnotische Wirkung auf sie. Sie fühlte sich wie in einem Traum, die Realität ihres Lebens in der Zivilisation War verblasst.
Zeit war unwichtig geworden. Irgendwie hatte sich ihre Identität verändert, sie war in eine primitive Epoche versetzt worden, in der sie sich näher am Atem und am Rhythmus der Natur befand. Sie spürte, wie sich Mensch und Wildnis vereinten, ahnte das Muster der Sterne, hörte den Herzschlag der Ewigkeit vereint mit dem ihren.
Sie sträubte sich nicht, als Trevor sie bei der Hand nahm und in den Kreis der Ältesten zog. Sie hörte die weichen, kehligen Worte, die sie nicht verstand, doch sie sah die Weisheit in den Augen der alten Männer.
Ein Becher wurde Trevor gereicht. Er nippte daran, dann drehte er sich zu ihr und hielt ihr das Getränk hin. Sie verstand ohne Worte, dass auch sie von der Tasse trinken sollte. Als sie das Gefäß zurückgab, lächelten die Männer des Rates ihr freundlich zu.
Regentropfen fielen vom Himmel. Trevor führte sie von dem Kreis weg. „Komm, lass uns schnell einen Unterschlupf suchen." Er zog sie hinter sich her zum Buggy, um die Schlafsäcke zu holen. „Beeil' dich!" rief er ihr zu. „Es kann jeden Moment losgehen!"
Sie erreichten das unter den Bäumen versteckte Chikee gerade rechtzeitig, als der Himmel auch schon seine Schleusen öffnete. Im Innern stand die kleine, traditionelle Plattform in der Mitte. Trevor hatte ihr erklärt, dass sie tagsüber als Tisch diente und nachts als Schlafplatz, so dass man vor dem feuchten Boden und eventuell umherkriechenden Schlangen geschützt war.
Jetzt breitete er die Schlafsäcke darauf aus.
„Trevor, was hat diese Zeremonie bedeutet, als wir aus dem gleichen Becher getrunken haben?" fragte Linda ihn.
Er sah sie mit glühenden Augen an, die sie verbrannten. „Das war das traditionelle Hochzeitsritual der Seminolen. Wir haben soeben geheiratet."
12. KAPITEL
Das tosende Gewitter, das sich über ihnen entlud, war mild im Vergleich zu den Gefühlen, die Linda durchströmten. „Was meinst du, wir sind verheiratet?"
Blitze zuckten flackernd über sein Gesicht, aber sie konnte keine Reaktion darin erkennen. Doch seine Stimme klang ernst. „Genau das, was ich gesagt habe. Wir haben soeben geheiratet."
„Nein, das haben wir nicht!" Sie schrie. „Keiner hat was davon gesagt, dass das eine Hochzeit ist! Wie kannst du es wagen ...! Ich würde dich nie heiraten, und wenn du der letzte Mann auf diesem Planeten wärst, Trevor Messano!"
Er schaute sie kritisch an. „Tatsächlich nicht?"
Sie wurde rot. Stolz hob sie ihr Kinn. „Da bin ich mir absolut sicher!" sagte sie entschieden, obwohl sie sich dessen eigentlich nicht so sicher war.
„Egal, auf jeden Fall sind wir verheiratet."
„Aber nur nach indianischem Brauch."
„Im Moment befinden wir uns in einem Indianerreservat, das heißt in einem indianischen Staat", stellte er trocken fest. „Außerdem war es das Praktischste."
„Das Praktischste?" Ihr verschlug es die Sprache. „Was soll das denn wieder heißen?"
„Na ja, die Häuptlinge waren nicht gerade begeistert, dass ich eine fremde weiße Frau zu den Zeremonien mitgebracht habe. Also habe ich ihnen gesagt, du seist meine Frau, und dass wir nach altem Brauch heiraten wollen. Und schließlich - du willst doch nicht skalpiert werden, oder?"
„Mach dich nicht lächerlich! Wir leben im zwanzigsten Jahrhundert. So was passiert heute nicht mehr! Ist dir während der ganzen Zeit vielleicht mal der Gedanke gekommen, mit
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