Bianca Exklusiv Band 229
ich ganz vergessen. Aber von einer Frau kommt es mir irgendwie seltsam und ungebührlich vor.“
„Sagen Sie ihr das bloß nicht“, warnte Randolph. „Sonst hält Sie Ihnen eine Rede über Gleichberechtigung, und das wird kein Scherz sein.“
„Ich muss ja zugeben, dass sie andererseits eine Bereicherung darstellt. Kürzlich habe ich sie auf eine Reise in meine Heimatstadt begleitet. Sie bestand darauf, zu Fuß durch die Straßen zu gehen und mit den Leuten zu reden. Ihr fiel ein Kleinkind in einer Sportkarre auf, das einen Schuh verloren hatte. Und was meinen Sie wohl, was sie getan hat? Sie hat doch tatsächlich den Schuh vom Bürgersteig aufgehoben und dem Kind angezogen! Dann hat sie fünf Minuten lang mit der Mutter über die unverschämt hohen Preise für Kinderkleidung geplaudert.“
„Sie hat doch hoffentlich nicht versprochen, die auch zu ‚regeln‘, oder?“, hakte Randolph alarmiert nach.
„Nein, nein. Es ist mir gelungen, gerade noch rechtzeitig einzugreifen. Aber ehrlich gesagt, geht es nicht mal darum, was sie sagt, sondern wer sie ist. Sie schenkt den Leuten dieses Lächeln … Sie wissen schon, welches ich meine.“
„Ja“, bestätigte Randolph leise, „das weiß ich.“
„Es scheint, als würde durch dieses Lächeln die Sonne für die Leute aufgehen. Ich bin mir nicht sicher, ob sich das für eine Monarchin geziemt.“
„Könnte eine Monarchin Besseres tun, als für ihr Volk die Sonne aufgehen zu lassen?“, entgegnete Randolph. „Es ist eine großartige Gabe, die sie besitzt.“
„Nun, ich kann nicht leugnen, dass sie liebenswert ist. Und vielleicht ist das wichtig.“
Randolph nickte. „Vielleicht ist es das einzig Wichtige.“
„Wenn doch nur jemand sie zügeln würde …“
Der vielsagende Ton veranlasste Randolph, scharf zu entgegnen: „Schlagen Sie sich diese Idee gleich wieder aus dem Kopf.“
„Aber Ihre Pflicht gegenüber dem Land …“
Randolph murmelte etwas sehr Rüdes über seine Pflicht gegenüber seinem Land.
Enderlin traute seinen Ohren nicht. „Sie haben Ihre Pflicht nie zuvor vernachlässigt“, gab er kopfschüttelnd zu bedenken.
„Die Prioritäten ändern sich. Nun erfülle ich meine Pflicht, indem ich dieser verrückten Frau beibringe, den Thron zu bekleiden, ohne Schaden anzurichten. Ich erachte es nicht als meine Pflicht, diese unmögliche Person zu heiraten. Ich möchte sehr deutlich klarstellen, dass sie die letzte Frau ist, die ich je heiraten würde. Und das ist offiziell.“
Dann beruhigte Randolph sich ein wenig. „Aber erzählen Sie das niemandem“, fügte er hastig hinzu.
Enderlin versprach es und hielt Wort. Doch die Wände des Palastes hatten Ohren, und noch bevor sich der Tag seinem Ende neigte, erfuhr Dottie davon, und es vergiftete gebührend die Atmosphäre zwischen ihnen.
Doch anstatt ihm wie früher unmissverständlich zu sagen, was sie von ihm hielt, mied sie ihn von da an. Nur, wenn sich eine Begegnung absolut nicht vermeiden ließ, schenkte sie ihm ihr sonniges Lächeln.
9. KAPITEL
Korburg war lediglich ein kleiner, angrenzender Staat und im Gegensatz zu Ellurien kein Königreich, sondern nur ein Fürstentum. Als solches gebührte ihm eigentlich kein Staatsbesuch mit sämtlichen Ehrbezeugungen, aber Dottie bestand darauf, denn sie wollte ein Exempel statuieren.
Am Tage von Harolds Ankunft wartete sie auf dem Bahnsteig, als ein luxuriöser Sonderzug zu den Klängen der Nationalhymne von Korburg einlief. Als Harold ausstieg, verschlug es ihr beinahe den Atem.
„Was für ein toller Typ!“, flüsterte sie Randolph zu, der neben ihr stand. „Und ich dachte, er wäre ein Monster.“
Harold besaß alles, wovon Frauen träumten: regelmäßige Gesichtszüge, ein strahlendes Lächeln, glutvoll funkelnde Augen. Sein Mund war voll und sinnlich, sein Körper groß und sehnig.
„Bei der Figur sieht er bestimmt hervorragend auf einem Pferd aus“, bemerkte sie. „Es ist doch geplant, dass ich mit ihm ausreite, oder?“
„Ich glaube nicht, dass es auf dem Programm steht“, entgegnete Randolph kühl.
„Dann ändern Sie das Programm“, befahl sie ebenso kühl. Bevor er etwas entgegnen konnte, schritt sie über den roten Teppich auf Harold zu und begrüßte ihn. Mit einem wahren Blitzlichtgewitter wurde die Begegnung von der Presse dokumentiert.
Er nahm ihre Hand und schenkte ihr ein charmantes Lächeln, und einen Moment lang fühlte sie sich geradezu überwältigt von diesem blendend attraktiven Mann.
Doch der Moment
Weitere Kostenlose Bücher