Bianca Exklusiv Band 243
hatte ihre Mutter beleidigt und verletzt und war zehn Jahre lang seinem Vater mehr oder weniger ausgewichen. Wie konnte Nicole den Schmerz vergessen, den er den Menschen, die sie liebte, zugefügt hatte? Noch weniger konnte sie den gestrigen Kuss vergessen – und ihre Reaktion darauf.
„Ich kann mich jetzt nicht entscheiden, sondern muss über alles nachdenken.“
Erst in diesem Moment merkte Logan, dass er sie noch immer an der Schulter festhielt. Er zog die Hand jedoch nicht zurück, weil er die Berührung genoss.
„Was gibt es da zu überlegen?“
„Ich kenne deine Einstellung nicht, Logan, aber für mich ist Heirat ein ernster Schritt. Ich weiß nicht, ob wir unter demselben Dach leben können, schon gar nicht, nachdem wir uns so … geküsst haben.“
„Ich sagte doch, dass das nichts mit der Heirat zu tun hatte“, versicherte er. „Du brauchst keine Angst zu haben, es könnte sich wiederholen. Darauf werde ich achten.“
„Willst du das?“
„Ja. Nein. Verdammt“, sagte er leise, und bevor er sich zurückhalten konnte, schob er die Hand in ihren Nacken.
Nicole riss die Augen weit auf, als er sie sachte zu sich heranholte. „Logan …“
Als sie seinen Namen flüsterte, verschwand der gebannte Ausdruck aus seinen Augen. Ruckartig zog er die Hand weg, drehte sich um und ging zur Tür.
„Ich schicke Darcy herauf, damit sie dir hilft, dein Zimmer wieder in Ordnung zu bringen“, sagte er schroff und trat auf den Korridor hinaus, bevor Nicole antworten konnte.
Als sich die Tür hinter ihm schloss, zitterten ihre Beine, und ihr Herz hämmerte heftig. Logan wollte sie zu seiner Ehefrau machen, wenn auch nur auf dem Papier. Noch vor wenigen Sekunden hätte sie jedoch geschworen, dass er sie in erster Linie lieben wollte.
Was bedeutete das? Auch wenn sie nie eine Familie gebildet hatten, war Logan ihr Stiefbruder. Sie konnte ihn sich nicht als ihren Ehemann vorstellen. Trotzdem konnte sie sich kaum davon abhalten, ihm nachzulaufen und ihn um einen Kuss anzuflehen.
Sie durfte nicht vergessen, dass Logan ein McNally und sie eine Carrington war. Schon einmal hatte eine Verbindung zwischen den beiden Familien zur Katastrophe geführt. Eine zweite Verbindung musste Belle Rouge vernichten – und letztlich auch sie beide.
„Es tut mir leid, Miss Carrington, aber als Lyles Testamentsvollstrecker ist es meine Pflicht, darauf zu achten, dass alles nach seinen Wünschen ausgeführt wird. Ich kann seine Anweisungen nicht ändern, auch wenn ich verstehe, in welch schwierige Situation Sie dadurch geraten.“
Nicole hätte den lächelnden Anwalt am liebsten angeschrien. Der Mann mittleren Alters hatte gar keine Ahnung, in welcher Lage sie sich befand. Vermutlich war es ihm auch völlig gleichgültig, solange er sein Honorar bekam.
„Nun, um ehrlich mit Ihnen zu sein, Mr Thorndyke“, entgegnete sie, „würde Belle Rouge nicht an den Staat fallen, hätte ich schon vor einer Woche die Plantage verlassen.“
Schlagartig hörte er zu lächeln auf. „Bestimmt zählte Lyle auf Ihre Liebe zur Plantage, um sie dort festzuhalten. Und wenn Sie darüber nachdenken, Miss Carrington, ist es nicht zu viel verlangt. Überlegen Sie, was Sie dafür alles bekommen. Allein schon die Gewinne aus dem Verkauf der jährlichen Zuckerrohrernte sind beträchtlich. Das Gleiche gilt für die Nussernte. Das Wohnhaus müsste renoviert werden, aber der Wert ist enorm, sollte es auf dem Immobilienmarkt angeboten werden. Alles in allem sollten Sie die Erbschaft nicht auf die leichte Schulter nehmen.“
Nicole war völlig klar, um wie viel Geld es ging. Trotzdem gab es Dinge, die mehr wert waren – Stolz, Selbstachtung und vor allem innerer Friede.
Seit Logan vor einer Woche eine Heirat als Lösung des Problems vorgeschlagen hatte, war Nicole ihm sorgfältig aus dem Weg gegangen. Sie hatte sich die meiste Zeit in ihrem Zimmer oder im Freien aufgehalten. Trotzdem hatte sie abends mit ihm essen und sich dabei gequält unterhalten müssen. Und ständig hatte sie sich gefragt, wann er auf eine Entscheidung über seinen Antrag drängen würde.
Sie hatte schon genug Zeit in dem Anwaltsbüro verschwendet, griff nach der Handtasche und stand auf. „Glauben Sie mir, Mr Thorndyke, ich nehme nichts auf die leichte Schulter.“
Der Anwalt erhob sich höflich und brachte sie zur Tür. „Freut mich zu hören. Ich würde es bedauern, sollten Sie Ihre Ansprüche an der Plantage verlieren. Und Mr McNally möchte selbstverständlich auch
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