Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
hatte er einige Male gesehen, ein schüchternes und zugleich schnippisches junges Ding, das wenig redete und wenn doch, dann in spöttisch-herablassendem Ton.
Bianca hatte dafür gesorgt, dass Roberto ihrer Begleitmannschaft zugeteilt wurde, was Anna erfreute, aber auch etwas besorgt machte. Dieser Roberto hing an ihr, stammte aus guter Familie, doch seine häufige Gegenwart schreckte mögliche andere Bewerber aus Pisa ab. Insgeheim hegte sie nämlich den Plan, möglichst in ihrer Heimat eine Familie zu gründen, um dort den Aufstieg einer Schäferstochter ins Bürgertum vorzuführen. Sie hielt Roberto etwas auf Abstand, doch so, dass er sich nicht gekränkt oder gar verstoßen fühlen konnte. Ihre eigene Familie war so klug, sie nicht zu behelligen und zu akzeptieren, dass die Zeiten der barfüßigen Gänsemagd vorbei waren.
Nach steifer Begrüßung war Donna Giulias erste Reaktion, Bianca zu versichern, dass für sie, ihre Kindern und ihr Dienstpersonal auf dem Gut der Lancia kein Platz sei.
„Wir müssten anbauen“, schlug sie in geheuchelter Sorge vor, „aber das braucht einige Zeit.“
„Das wird nicht nötig sein“, erwiderte Bianca mit ruhiger Stimme, „der Kaiser hat mir nahe der Kirche San Matteo ein Haus geschenkt und dort werde ich wohnen, solange ich hier bin. Manfred ist |257| schließlich kaiserlicher Prinz und muss standesgemäß untergebracht werden. Für Prinzessin Costanza gilt das natürlich auch …“
Bianca vermied jeden anmaßenden Ton, sie sprach mit gelassener Selbstverständlichkeit. Es gab wenig, das Donna Giulia sprachlos werden ließ, doch darauf fiel ihr nichts Geeignetes ein.
„So, aha, dann – dann ist ja unser kleines Problem gelöst …“
Bianca lächelte fein.
„Problem? Vielleicht ein zu großes Wort für derlei Belangloses.“
Doch Donna Giulia wollte sich noch nicht geschlagen geben.
„Und wie lang wollt Ihr in Pisa bleiben?“
„Das hängt von Seiner Majestät ab.“
Fragende Gesichter. Sie wandte sich an Galvano.
„Du hast doch auch einen Brief vom Kaiser erhalten? Schreibt er nichts über seine Rückreise?“
„Nur ganz allgemein. Er will endlich die Lombardenfrage lösen …“
„Ja, und zu diesem Zweck wird er auf der Rückreise Pisa besuchen, um dort seine treuen Vasallen zu begrüßen. Ich werde ihn dann mit den Kindern nach Apulien begleiten.“
Das hörte Giulia nicht ungern, auch dass Bianca in der Stadt leben würde, kam ihr entgegen. Ihr Gesicht entspannte sich und sie fragte:
„Wann ist es so weit, Donna Bianca?“
„Anfang November, so vermute ich.“
„Vielleicht wieder ein Sohn?“
„Dem Kaiser ist jedes seiner Kinder willkommen“, sagte sie vieldeutig.
„Dass nicht alle zum Besten geraten, sehen wir an König Heinrich.“
Da fuhr Galvano scharf dazwischen.
„Dem gewesenen König Heinrich! Konrad wird an seine Stelle treten.“
„Konrad? Wie alt ist der Knabe?“
„Fünf“, sagte Bianca, „doch das ist unerheblich, wichtig ist nur die Erbfolge.“
Da konnte sich Giulia die Frage nicht verkneifen:
„Von der Manfred freilich ausgeschlossen ist?“
Wie peinlich dies Galvano war, sah man ihm an, doch ehe er etwas äußern konnte, sagte Bianca mit einem rätselhaften Lächeln: |258| „Wer weiß? Für Costanza hat Mastro Scotus jedenfalls eine Königskrone prophezeit.“
„Du hältst jetzt endlich deinen Mund!“, stieß Galvano hervor und schaute dabei Giulia warnend an.
So grob war ihr der sonst eher sanfte Gemahl noch niemals gekommen. Sie schmollte und schwieg, bis Bianca gegangen war.
„Auch wenn sie dem Kaiser das Bett wärmt, ist sie doch kein überirdisches Wesen. Es tut ihr ganz gut, einmal die Wahrheit zu hören.“
„Ich kenne die Wahrheit, liebe Giulia, und sie sieht ganz anders aus, als du sie dir denkst. Eines vielleicht gar nicht mehr so fernen Tages wirst du sie in einem anderen Licht sehen.“
Dabei dachte er an die geheime Vereinbarung zwischen Friedrich und Bianca, von der ihn Giordano in Kenntnis gesetzt hatte. Es reizte ihn, Giulia zu sagen, dass Bianca den Ehevertrag gewissermaßen schon in der Tasche habe, doch ein Gebot des Kaisers durfte er nicht brechen.
Natürlich sprach es sich schnell herum, wer sich im schönen Haus nahe der uralten Kirche San Matteo aufhielt. Man nannte sie „
la regina secreta
“, die heimliche Königin. Anders als in Melfi und Foggia, wo sie streng bewachte Kastelle bewohnte, lebte sie hier wie andere Pisaner Bürger. Sie besuchte mittwochs wie sonntags
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