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Bibbeleskaes

Bibbeleskaes

Titel: Bibbeleskaes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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brauch dich in der Linde. Die Mama steht immer noch nicht auf. Jetzt hat sie sogar die Tür zum Schlafzimmer zugesperrt.«
    Ich bereute sofort, das Gespräch angenommen zu haben. Denn jetzt konnte ich meine Rückkehr in die Linde nicht mehr aufschieben.
    Mein Vater kam nach draußen gerannt, als ich den Wagen vor der Linde parkte. Wie ein nervöser Zausel rieb er sich die Hände an seiner dunklen Schürze und hatte nichts mehr von dem behäbigen Wirt, der alles mit verschmitztem Humor nahm.
    Â»Ich hab fest damit gerechnet, dass sie wenigstens zum Kochen runterkommt!«, jammerte er. »In einer halben Stunde ist das Training vom Fußballverein zu Ende, die Kerle haben dann Kohldampf. Da gehen mindestens fünfmal Wiener und fünfmal Holzfäller-Steak über den Tresen. Und die Landfrauen kommen auch noch. Die bestellen immer die Salatkarte rauf und runter. Das weiß doch die Martha ganz genau, aber …«
    Â»Papa«, unterbrach ich sein Lamento. »Kochen kann ich.«
    Die Küche meiner Mutter war die Hölle, aber Arbeit im Moment allemal besser, als Problemgespräche mit den Eltern zu führen. Ich besah mir im Kühlhaus Marthas Vorräte: Convenience-Produkte rauf und runter, Fertigsoßen, Puddingpulver, das Grauen pur, aber heute ritt mich nicht der Ehrgeiz, Marthas Arbeitsplatz in einen Tempel der Kulinarik zu verwandeln, heute war ich froh, dass sie nur eine bescheidene Schnitzelküche betrieb. Tiefkühlfritten, bereits panierte Schnitzel, marinierte Holzfäller-Steaks, alles zum In-die-Pfanne-Hauen oder In-die-Fritteuse-Werfen fand ich vor, à point musste ich mich nur um den Salat kümmern. Den grünen waschen, Möhren, Gurken, Sellerie durch die Schneidemaschine jagen, Zwiebeln und Radieschen würfeln, eine Vinaigrette anrühren. Basta!
    Als die ersten Bestellungen eintrudelten, stellte ich Marthas schwere Pfannen aufs Gas und warf die Fritteuse an. Die nächsten anderthalb Stunden schickte ich ein Essen nach dem nächsten raus, alles Routine, ich war kampferprobt, mich konnten zwanzig Essen an einem Abend nicht schrecken.
    Der Schrecken lag woanders, er verbarg sich hinter der Tatsache, dass Martha mir freiwillig ihre Küche überließ. Immer wieder schielte ich zur Tür, fest davon überzeugt, sie gleich dort stehen zu sehen. Aber sie tauchte den ganzen Abend nicht auf.
    So gegen elf hatte ich die Küche aufgeräumt und geputzt. Ich überlegte, mich heimlich nach oben in mein Zimmer zu verkrümeln und meine verstörten Eltern mit ihrem Problem allein zu lassen. Dagegen sprach die unbändige Lust auf ein frisches Bier. Nach zwei Stunden in Dampf, Fett- und Schweißdunst plagte mich ein wahnsinniger Brand. Die Lust siegte also über die Vernunft, als ich in die Gaststube stapfte und mir aus dem Kühlschrank hinter dem Tresen ein Tannenzäpfle holte. Damit setzte ich mich auf die Bank vor dem Kachelofen und sah mich um.
    Die Landfrauen waren bereits gegangen, die Fußballer im Aufbruch, an den Tischen zwei und drei saßen Leute, die ich nicht kannte, und vom Katzentisch hinten auf dem Weg zu den Toiletten winkte mir schüchtern Felix Ketterer zu. Er saß allein vor einem Glas Wein. Ich hob meine Flasche zum Gruß, wendete den Blick von ihm ab, schloss die Augen, nahm einen ersten Schluck und folgte mit großem Vergnügen dem Bier auf seinem Weg durch die Speiseröhre.
    Als ich die Augen wieder öffnete, stand Felix vor mir und sagte: »Wenn ich gewusst hätt, dass du heut in der Linde am Herd stehst, dann hätt ich mir daheim nicht die Reste in die Pfanne gehauen, sondern wär bei dir essen gegangen. Ist die Martha heute nicht da?«
    Â»Der geht es nicht so gut.«
    Â»Oh. Was Schlimmes?«, fragte er und nestelte seine Roth-Händle-Packung aus der Hosentasche.
    Â»Denk nicht.«
    Â»Wünsch ihr gute Besserung von mir. Ich geh dann mal …« Er deutete mit dem Kopf in Richtung Ausgang.
    Während Felix rauchte, zapfte Edgar zwei Ulmer, brachte eines davon an Tisch drei, stellte das zweite zu mir auf den Tisch und setzte sich neben mich auf die Bank.
    Â»Den ganzen Tag frag ich mich, was mit ihr los ist. Wir sind jetzt fast fünfzig Jahre verheiratet, aber so habe ich sie noch nie erlebt. Das muss was mit Scherwiller zu tun haben«, fing er sofort an.
    Mund halten, reden lassen, ja nicht zwischen die Fronten geraten, dachte ich und hoffte, dass ich mich

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