Bibbeleskaes
Fleurop-Blumen geschickt. Rosa hatte es mir nicht übel genommen. Zu Menschen, die sie liebte, war sie immer groÃzügig gewesen.
Bald nachdem der ganze Papierkram erledigt war und das Haus de facto mir gehörte, kam ein sehr lukratives Angebot der Firma Retsch ins Haus geflattert. Man wollte das Grundstück dem Bauland oben am Rückhaltebecken einverleiben und Rosas Haus abreiÃen. Rosa hätte dem niemals zugestimmt, und sie hatte mir das Haus nicht vererbt, damit ich es an ihrer Stelle tat. Sicher, das muss ich ehrlicherweise sagen, wäre ich schwach geworden, wenn ich das Geld dringend gebraucht hätte. Doch das war nicht der Fall. Also lehnte ich das Angebot ab. Leer stehen lassen und dem Verfall preisgeben wollte ich das Haus aber nicht, also hatte Edgar nach Mietern für mich Ausschau gehalten und Marek und Sylwia gefunden. Ein junges Paar, das Freude an diesem alten, wenig komfortablen Haus hatte, weil es sie an die Häuser in ihrem Heimatdorf in der Nähe von Kattowitz erinnerte.
Eine Klingel hatte es an Rosas Tür noch nie gegeben, und es gab sie auch heute nicht. Hier hörte man, wenn jemand kam, und wenn nicht, musste der Gast sich bemerkbar machen. Marek hatte mich gehört, er öffnete die Tür weit und bat mich einzutreten. Das war der Moment, vor dem ich mich am meisten fürchtete. Denn auch wenn das Haus von auÃen unverändert wirkte, drinnen würden nicht mehr Rosas Möbel stehen, nicht mehr Rosas Duft hängen, nicht mehr ihre Vorräte lagern. Allein die Erinnerung an ihren Speck lieà mir das Wasser im Munde zusammenlaufen.
»Komm in die Küche«, schlug Marek vor.
Anstelle des Gasherdes eine moderne Küchenzeile, anstelle der Eckbank ein runder Tisch und vier gepolsterte Stühle. Wohin war der alte Tisch verschwunden? Der Tisch mit dem hässlichen Linoleum-Belag, an dem ich als Kind mit Rosa Karten und Mensch-ärgere-dich-nicht gespielt und in der wilden Teenagerzeit hitzige Diskussionen über den Sinn des Lebens geführt hatte. Und gelbe Vorhänge hätte Rosa im Leben nicht in die Fenster gehängt!
Ich schluckte die Enttäuschung über all die Veränderungen hinunter. Rosa war tot, was für einen Sinn hatte es, ihre Wohnung im Originalzustand zu erhalten? Ich hatte kein Museum, sondern ein Haus zum Wohnen vermietet. Es war völlig in Ordnung, dass die zwei es sich nach ihren Vorstellungen gemütlich machten.
»Magst du Kaffee?«, fragte Sylwia und füllte einen Wasserkocher.
Erst da sah ich, dass sie hochschwanger war. Marek trat auf sie zu und strich ihr über den prallen Bauch.
»Das ist der Grund, weshalb wir das Haus kaufen wollen.«
»Wasser«, sagte ich, »und wenn ihr habt, einen Schnaps.«
Rosa hatte vor schwierigen Entscheidungen immer einen Kirsch getrunken, Marek servierte mir ein Zwetschgenwasser. Während der Alkohol in der Speiseröhre brannte, erzählten die zwei von dem neuen Bad, das sie bauen, und dem Durchbruch zum Wohnzimmer, den sie machen wollten. Und oben vielleicht zwei Gauben, wenn sie dafür die Baugenehmigung bekämen, damit es Platz gab für den Nachwuchs. Zwei Kinder wollten sie auf alle Fälle, ein drittes wäre auch recht.
Während sie ihre Pläne vor mir ausbreiteten, überlegte ich, was Rosa sich gewünscht hätte. Sie hatte genau gewusst, dass ich nicht zurückkehren würde, auch, dass ich nicht der Typ für ein Wochenendhaus war. Sie, die ihr einziges Kind verloren hatte, würde sich über Kinder in ihrem Haus freuen. Sie, die eine Zeit lang in der Fremde heimisch geworden war, fände es gut, wenn ihr Haus für zwei Fremde zur Heimat würde. Das wäre ganz in ihrem Sinne. Aber noch zögerte ich.
Marek bot mir ein zweites Glas Zwetschgenwasser an, und Sylwia stand auf und verschwand in der Speisekammer, aus der mir kurz der Duft von Rosas Speck entgegenwehte. Wie schön, dass er sich so hartnäckig hielt! Oder wursteten Sylwia und Marek auch? Aber Sylwia kam nicht mit Speck, sondern mit einem Glas Honig zurück.
»Drei Bienenvölker wir haben seit letztem Sommer. Musst du probieren!« Sie schraubte das Glas auf und reichte mir einen Löffel. »Vielleicht nicht so gut wie von deiner Tante â¦Â«
Der Honig schmeckte so sehr wie der von Rosa, dass mir fast die Tränen kamen. Jetzt konnte ich ihre Stimme in meinem Kopf deutlich hören: »Willst du warten bis zum
Weitere Kostenlose Bücher