Bibbeleskaes
Papierfabrik gewinnen? Als Revanche für das genehmigte Hochregallager? »Mer kenne uns, mer helfe uns«, hieà das in Köln.
Am meisten wünsche Sophie Ketterer sich für ihre Amtszeit, so wurde am Ende des Artikels berichtet, dass Oberkirch von der Bevölkerung sowohl als badisch gemütliche als auch als weltoffene Stadt erlebt werde.
Eine Doppelseite hatte ihr die Zeitung gewidmet. Sie lachte auf dem groÃen Porträtfoto. Im Hintergrund Weinberge, die Kurzhaarfrisur windzerzaust, die Augen energisch in die Zukunft gerichtet, strahlte sie Bodenständigkeit und Weitblick aus. Die Zeitungsmacher trauten ihr den neuen Job zu, das war die eindeutige Botschaft. Keine schlechte Werbung für die Wahl am kommenden Sonntag. Ob Felix als Bürgermeisterin-Gatte gerüstet war? Gestern Abend war er mir noch verlorener, noch verhuschter vorgekommen als bei unserer Fahrt ins Elsass.
Es tat gut, sich mit den Problemen fremder Menschen zu beschäftigen, aber irgendwann legte ich die Zeitung doch beiseite. Immer noch saà ich allein beim Frühstück auf der Bank vor dem Kachelofen. Acht Uhr war es, um diese Zeit werkelte Martha normalerweise schon lautstark in der Küche, und Edgar studierte beim Kaffee die Zeitungen. Aber noch war keiner der beiden heruntergekommen, und ich würde einen Teufel tun, an die Schlaf- oder Wohnzimmertür zu klopfen. Ich würde gleich zu meinem Patissier-Kurs nach StraÃburg starten und darauf hoffen, dass die beiden bei meiner Rückkehr wieder auf ihren Posten standen.
Ich überflog die Ãberschriften des Acher und Bühler Boten, als Edgar wie ein geprügelter Hund die Treppe hinunterschlich. Sein Hemd war falsch zugeknöpft, und unter seinem Arm klemmte ein altes Album. Ich schenkte ihm eine Tasse Kaffee ein und stellte sie vor ihn auf den Tisch. Ich vermied den direkten Blick, weil ich Angst vor der Verzweiflung in seinen Augen hatte.
Wortlos kippte er Milch in die Tasse, nahm den ersten Schluck und schob mir das Album hin. Es war nicht das groÃe weinrote, in das die in Bildern konservierten Höhepunkte unserer Familiengeschichte gepresst waren: die Hochzeitsbilder von Edgar und Martha, die Baby- und Kinderfotos von Bernhard und mir, Bilder von Kommunionen, Geburtstagen, Weihnachtsfeiern, Reiter- und Zwiebelfesten. Edgars in grünes Leinen eingeschlagenes Album kannte ich überhaupt nicht. »Fahrten und Reisen« stand in Marthas spitzer Handschrift auf der ersten Seite.
Edgar schlug das Album in der Mitte auf und deutete auf ein Foto, das Martha, ihre Freundin Gerti und Emile Murnier zeigte. Die beiden Frauen flankierten Murnier, der seine Arme um deren Schultern gelegt hatte. Alle drei lachten den Fotografen an. Emiles blonde Locken waren nach hinten gekämmt, Martha trug so eine Art toupierten Knoten und Gerti eine komplizierte Hochsteckfrisur. Im Hintergrund sah man lange Tische, an denen Menschen beim Essen saÃen.
»Du willst ihr doch nicht aufgrund dieses Fotos eine Affäre andichten«, wiegelte ich ab und blätterte im Album zurück, bis ich unter dem Schriftzug »Erste Fahrt nach Scherwiller 1967« das Foto eines Büssing-Busses fand, der tatsächlich genauso aussah wie der, mit dem wir vor vier Tagen ins Elsass gefahren waren. Von diesem ersten Treffen wusste ich nur das, was Rosa und Antoinette mir erzählt hatten. Ich bat meinen Vater, davon zu erzählen, in der Hoffnung, ihn dadurch von der fixen Idee, Martha habe ihn mit Murnier betrogen, abzulenken. Edgar war einer, der gern erzählte. Und das tat er dann auch.
»Für die meisten von uns, sieht man von den Männern ab, die im Krieg waren, war das der erste Ausflug ins Ausland«, begann er. »Martha und ich sind auf unserer Hochzeitsreise immerhin schon in Ãsterreich gewesen, aber StraÃburg, das ja direkt vor der Haustür liegt, haben wir nur aus den Erzählungen der GroÃmütter âkennt. Prächtig muss die Stadt vor dem Ersten Weltkrieg gewesen sein. Die PreuÃen haben StraÃburg nach dem 1870er-Krieg aus dem Mittelalter herausgâholt und ein eigenes deutsches Viertel gebaut. Der Kaiserpalast am Platz der Republik, das Ãgyptische Haus, die Städtische Badeanstalt. Vom groÃen Wochenmarkt hat meine Oma erzählt, wo die Fautenbacherinnen ihre Eier verkauft haben. Zurückgekommen sind sie mit feinen Stoffen, Posamenten und Spitzen.« Für das Vergnügen, in StraÃburg einmal in
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