Bibbeleskaes
der Woche richtige GroÃstadtluft zu schnuppern, erzählte er, seien sie gern die halbe Nacht hin- und bis in die Nacht zurückgelaufen mit den groÃen Eierkörben auf dem Kopf.
»Natürlich sind wir bei der ersten Fahrt nach Scherwiller über StraÃburg gefahren, âs gab doch keine andere Brücke über den Rhein, mitten durch die Stadt hat man gemusst, um auf die N 86 zu gelangen. Aber von der Pracht war nichts mehr zu sehen, damals 1967. StraÃburg war eine graue Stadt, zwar im Krieg kaum zerstört, aber trotzdem ärmlich, verlottert, wie ausgehungert. Du musst sie dir vorstellen wie die ostdeutschen Städte nach Ãffnung der Mauer. Auch bei den Dörfern auf der Strecke nach Schlettstadt war nichts frisch geweiÃelt oder neu gebaut, kein Vergleich zu den fein herausgeputzten von heute, dagegen sind uns unsere Dörfer schön und blitzsauber vorgekommen. Sah grad so aus, als ob die Franzosen den Krieg verloren hätten und nicht wir.«
Edgar deutete auf das Foto eines Dorfplatzes, der tatsächlich wie zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts aussah.
»Das war Scherwiller damals?«, fragte ich ungläubig.
»Nein, nein. Das war irgendwo unterwegs, weil eine von den Frauen âºgemusstâ¹ hat. Plumpsklo hat es ja bei uns damals noch gegeben, aber nur ein Loch im Boden, über dem man frei schwebend sein Geschäft verrichten musste, das haben wir nicht âkennt. Nach dem âºErlebnisâ¹ haben wir ja mit dem Schlimmsten gârechnet. Im Bus natürlich aufgeregte Stimmung, auÃer dem Pfarrer Schmitt und dem Herre Franz, dem alten Bürgermeister, hat noch keiner je im Leben mit den Franzosen geredet, man hat ja nicht gâwusst, auf was für Leut man da trifft und wie man mit denen umgehen soll. Und in Scherwiller dann erst ins Hochamt, war doch das Patronatsfest, Peter und Paul ist die Scherwiller Kirch gewidmet, der Fautenbacher Kirchenchor hat gâsunge. Und nach der Messe sind dann alle aufgeteilt worden, der Bürgermeister zum Bürgermeister, der Pfarrer zum Pfarrer, die Musik zur Musik und auch Wirtsleut zu Wirtsleut. Martha und ich also zu Alphonse und Odette Mueller, den Eltern von Pierre von der Winstub Mueller.«
Er deutete auf ein Foto, das im Innenhof der Winstub aufgenommen worden war. Edgar zwischen einem älteren Ehepaar, die Frau trug eine weiÃe Schürze, Tische und Stühle der Gaststube waren nach drauÃen getragen worden, davor pickten ein paar Hühner im Lehmboden.
»Bei denen sind damals noch die Hühner im Hof rumgelaufen, Mistkratzerle haben sie geheiÃen wie bei uns, und wie bei uns sind die Bibbele mit Bibbeleskäs gefüttert worden.«
»Pierre habt ihr damals noch nicht kennengelernt?«, fragte ich.
»Doch, doch. Aber beim Mittagessen war er nicht da, nur hinterher abends bei dem groÃen Fest.«
»Und was ist das? Rührei?«, wollte die interessierte Köchin in mir beim Blick auf ein weiteres Foto wissen. Dort lag auf einem Teller ein gelbes Etwas.
»Läufiger Munsterkäs! Kein Mensch bei uns hat damals Käse nach dem Essen gegessen. Beim Essen haben wir nämlich genauso gestaunt wie bei den Häusern, nur umgekehrt. Was die alles aufgefahren haben, so was hat man bei uns doch gar nicht âkennt! Selbst gemachte Pasteten, Baekeoffe, Meringen. Und Käse. âºDer Munsterkäsâ¹, hat der alte Alphonse Mueller gâsagt, âºisch ein typischer Elsässer Käs. Er schtinkt dütsch und schmeckt französisch.â¹ Gegesse hab ich damals nur ein kleines Stück, höflichkeitshalber, so streng, wie der gestunke hat. Heute esse ich ihn gerne. Hast du gâsehe? Die Martha hat ein Gericht mit Munsterkäse auf der Speisekarte.«
Ich blätterte weiter in dem Album. Die nächsten Fotos waren beim FuÃballspiel aufgenommen. Die deutsche Mannschaft, die französische Mannschaft, die zwei Kapitäne bei der Ãbergabe der Wimpel. Der deutsche war Hubert Ketterer, der Vater von Felix, der französische Emile Murnier. Er sah gut aus, wirklich ein bisschen wie der junge Jean Gabin.
»Der alte Ketterer hat mal FuÃball gespielt?«
»Und frag nicht, wie«, bestätigte Edgar. »Dass die Fautenbacher gewonnen haben, war sein Verdienst. Er hat das entscheidende Tor geschossen. Oh, das hat sie gefuchst, die Franzosen! Du weiÃt ja: In der Kirch und beim Essen kann man höflich sein, beim FuÃball aber
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