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Bibbeleskaes

Bibbeleskaes

Titel: Bibbeleskaes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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nicht. Und bei dem Spiel, da ist mit harten Bandagen gekämpft worden. Und Emile Murnier war der verbissenste Spieler. ’s war fast so, als ob er uns Deutschen hat zeigen wollen, dass die Franzosen nicht nur im Krieg, sondern auch im Spiel gewinnen können. Bis fünf Minuten vor Schluss haben die Elsässer geführt, dann der Ausgleich durch Edgar und keine Minute später der Siegtreffer vom Hubert. Du, d’r Emile Murnier war so sauer, der hat dem Hubert am Ende nicht mal mehr die Hand gegeben.«
    Das nächste Bild zeigte eine große Menschenansammlung vor einem Granitmonument. Die zwei Bürgermeister waren nach vorne getreten, sie hielten ihre Hüte in den Händen, genau wie alle Männer auf dem Bild. Bei genauem Hinsehen gelang es mir, die Inschrift zu entziffern: A NOS MORTS , unseren Toten.
    Â»Der Krieg war zwar schon über zwanzig Jahre vorbei«, erklärte Edgar, »aber trotzdem immer noch präsent. Kriegsversehrte Einarmige oder Männer mit Holzbein hat’s bei uns in Fautenbach genauso gegeben wie in Scherwiller. Diese Kriegswunden hat jeder sehen können, aber die wirklich schlimmen waren in den Köpfen von den Leuten verborgen. Ich weiß nicht, was passiert ist, als die Franzosen Fautenbach besetzt haben, da war ich ja ein sechsjähriges Büble, für mich war’s ein Spiel, als die Mutter uns im Heuschober versteckt und uns eingebläut hat, erst wieder rauszukommen, wenn sie uns ruft. Aber ein paar Jahre älter erinnere ich mich an die Angst von der Mutter, wenn darüber geredet wurde. Und immer sind alle ganz schnell verstummt, wenn sie gemerkt haben, dass ich zuhöre. Und jede Familie hat so eine Angst oder so eine Verwundung mit sich herumgetragen, und die zurückgekehrten Soldaten haben das nicht besser gemacht, die haben nämlich noch einen stummen Schrecken mitgebracht. So hab ich es als Kind empfunden. Und deshalb war das« – er deutete auf das Bild – »der schwierigste Moment bei diesem ersten Treffen. Weil alle schreckliche Erinnerungen an den Krieg hatten, weil alle wussten, dass man zwanzig Jahre früher noch aufeinander geschossen hätte. Alle waren froh, als das Totengedenken vorbei war und es in den Festsaal ging.«
    Es folgten Fotos vom Fautenbacher Musikverein, der wohl an dem Abend zum Tanz aufgespielt hatte, und welche von langen, voll besetzten Tischen, die Gesichter der Leute so verwaschen, dass ich keinen erkannte. Dann gelangten wir wieder bei dem Foto von Martha, Gerti und Murnier an.
    Â»Guck mal, wen Martha hier anstrahlt. Doch nicht Murnier, sondern den Fotografen. Und wer hat das Foto gemacht? Du, nicht wahr?«
    Edgar nickte. »Du hast schon recht. Damals hat sie wirklich nur Augen für mich gehabt. Aber jede Verliebtheit hat ein Ende, und wenn der Kerl dann irgendwann später noch mal seine Drecksfinger nach ihr ausgestreckt hat …«
    Â»Papa!«, unterbrach ich ihn, weil ich fand, dass er sich wirklich in etwas hineinsteigerte.
    In die unangenehme Stille, die sich danach in der Gaststube breitmachte, drangen die Stundenschläge der Fautenbacher Kirchturmuhr. Ich zählte mit, neunmal schlug sie an. Ich musste gleich aufbrechen. Um zehn Uhr begann mein Patissier-Kurs. Ich stand auf und stellte das Geschirr zusammen.
    Â»Bevor du gehst, kannst du nicht noch mal?« Edgar deutete mit dem Kopf nach oben.
    Mein Bruder, entschied ich, war dafür viel besser geeignet als ich. Gutmütig, bodenständig, ein bisschen schwerfällig und Mamas Liebling. Aber Bernhard führte ein eigenes Restaurant in Waldulm und würde sich keineswegs freudig von seinen Kochtöpfen wegholen lassen, um unsere Mutter wieder an die ihren zu stellen.
    Â»Katharina, bitte!«
    In Edgars Stimme schwang Hoffnung und Dringlichkeit, dann wurde sein Ton von jetzt auf gleich geschäftsmäßig.
    Â»Die Wirtschaft ist noch nicht auf«, sagte er zu den beiden Männern, die durch die Tür traten. »Wir öffnen erst um zwölf.«
    Ich sah mir die Besucher an. Der eine war jung, blond und frisch, der andere grau meliert, mit leichtem Bauchansatz und in meinem Alter. Noch bevor sie sich vorstellten, wusste ich, dass es Bullen waren.
    Â»Wir haben noch Fragen zur Mordsache Emile Murnier«, begann der ältere der beiden, nachdem wir uns bekannt gemacht und sie am Tisch vor dem Kachelofen Platz genommen hatten.
    Edgar zog sich hinter den Tresen zurück. Weit genug

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