Bibbeleskaes
während sie sicheren Schritts die Treppe hinunterstieg, die Ãrmel hoch. Ganz die alte Martha.
Ich stand immer noch vor der Tür und warf nun einen Blick ins elterliche Schlafzimmer. Die Plumeaus glatt gezogen, die Kissen aufgeschüttelt und mit einem mittigen Knick versehen, auf den beiden Stühlen nicht ein liegen gelassenes Kleidungsstück, alles picobello. So als hätte Martha nicht einen Tag und eine Nacht in trotziger Abgeschiedenheit hier gehaust, so als wäre alles wie immer, so als wäre die Welt in der Linde in bester Ordnung.
»Gehen wir hoch ins Wohnzimmer, meine Herren«, hörte ich sie unten zu den Polizisten sagen. »Gleich kommen die Lieferanten, dann wirdâs in der Gaststube so hektisch.«
Ich stand immer noch vor ihrem Schlafzimmer, als sie mit den beiden Polizisten die Treppe hochkam. Mich würdigte sie keines Blickes, im Gegenteil, sie knallte mir die Tür vor der Nase zu.
Martha wusste etwas, so viel war klar. So eine Geheimnistuerei passte nicht zu ihr, nur aus Spaà an der Freud machte sie nicht so ein Theater. Was hatte sie geweckt in der Nacht, als Murnier getötet wurde? Ein Schrei, ein Kampf, ein Donnerwetter? Hatte sie jemanden bemerkt? Warum war sie nicht selbst nachsehen gegangen? Warum musste sie mich wecken? Hatte sie etwa Angst? Wovor? Vor wem?
Fragen, von denen ich nicht wusste, ob sie mir die je beantworten würde. Aber vielleicht beantwortete sie die Fragen der Polizisten, mit denen sie hinter der verschlossenen Tür redete. Lauschen war mir verhasst, ich mochte nicht glauben, dass ich es wirklich tat. Ich musste mir einen Ruck geben, um mein Ohr an die Tür zu halten. Leider verstand ich so gut wie nichts. Ich konnte das Ohr noch so fest an die Tür pressen, ich schnappte nur das eine oder andere etwas lauter gesprochene Wort auf, alles andere ging in einem breiigen Gemurmel unter. Ente, Fenster, Müller, Magensäure. Wie sollte ich mir darauf einen Reim machen?
Als mein Handy klingelte, zog ich mich ertappt von der Tür zurück und stolperte die Treppen hinunter.
»Interessiert dich der Stand der Ermittlungen?«, fragte FK . »Es ist ja nicht so, dass die deutsch-französische Polizeiarbeit nicht funktioniert. Hab ich dir schon erzählt, dass es seit 1997 ein Gemeinsames Zentrum für deutsch-französische Polizeiarbeit gibt? Schengener Abkommen, Verbrechen macht nicht vor Grenzen halt, zusammenwachsendes Europa und so weiter. Die sitzen in Kehl, sind pari pari mit Deutschen und Franzosen besetzt. Haben kein operatives Mandat, unterstützen aber die Kollegen vor Ort. Deren gröÃtes Plus ist, dass sie genaue Kenntnisse der Verfahrensabläufe in beiden Ländern haben und wissen, wo die Scharniere knirschen. Bei denen laufen alle Ergebnisse zuâ¦Â«
»Und was gibt es jetzt Neues?«, unterbrach ich ihn, als ich wieder unten in der Gaststube angekommen war.
»Fundort ist nicht gleich Tatort«, erzählte FK . »Und jetzt rate mal, wo Murnier getötet wurde.«
»Etwa vor seinem Haus?«, riet ich.
Kurze Pause an meinem Ohr, dann kam: »Kannst du hellsehen?«
»Nein. Aber Murnier hat das Fest verlassen, um heimzugehen. Jakub Sajdowski ist ihm gefolgt.« Dann erzählte ich ihm vom dem Gespräch mit Sylwia und Marek.
»Interessant, was auf dem Fautenbacher Zwiebelfest so alles besprochen wird«, meinte FK . »Bestimmt verflucht Jakub Sajdowski in seiner Zelle seine Schwester dafür, dass sie ihm den Job bei Murnier verschafft hat. Denn für Sajdowski sieht es nun noch schlechter aus als vorher. Ist wahrscheinlich nur noch eine Frage der Zeit, bis er den Mord zugibt. Mein Bauchgefühl hat mich getäuscht, aber du wirst bestimmt aufatmen, dass dein Luc jetzt aus der Schusslinie ist.«
Mein Bauch atmete aber gar nicht entspannt. Der klumpte sich zusammen und glaubte nicht daran, dass alles so einfach sein sollte. Zu viele offene Fragen.
»Noch hat er nicht gestanden«, sagte ich zu FK . »Würde mich wundern, wenn es nicht noch die eine oder andere Ãberraschung gibt.«
»WeiÃt du was, das ich nicht weiÃ?«, fragte FK misstrauisch.
»Reines Bauchgefühl«, gab ich zurück. »Du weiÃt, du wärst der Erste, dem ich es erzählte.«
»Werâs glaubt, wird selig«, seufzte FK wenig überzeugt. »Wie lang bist du noch im Land?«
»Mein Patissier-Kurs dauert bis Freitag. Und dann, mal sehen.
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