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Bibbeleskaes

Bibbeleskaes

Titel: Bibbeleskaes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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sie die drei Äpfel auf dem Holzbrett hin- und herschob und mich aus ihrer Küche warf. Das tat sie gerne, die Küche war ihre Burg, ihr Königreich, Zutritt nur für Auserwählte. Kochen, zumindest das hatten wir gemeinsam, war für sie nicht nur Job, es war Passion. Kochen erdete, Kochen machte den Kopf frei, Kochen verlieh Flügel. Dass sie freiwillig darauf verzichtete … Trugen meine Eltern einen undurchschaubaren Beziehungsclinch aus? Oder hatte Marthas Verhalten gar nichts mit Edgar zu tun?
    Wenn ich im Auto sitzen blieb und mir das Gehirn zermarterte, würde ich es nie herausfinden. Eigentlich, merkte ich wieder, hatte ich gar keine Lust, es herauszufinden. Aber irgendwie musste in der Linde wieder Ruhe und Alltag einkehren.
    Als ich ausstieg, sah ich, wie Joe gegenüber seine Harley vor dem Queen’s Pub abstellte. Martha und Edgar müssen noch ein wenig warten, dachte ich und überquerte die Straße.
    Â»Hallo, Joe.«
    Langsam und bedächtig drehte er sich, betrachtete mich ausgiebig vom Kopf bis zu den Füßen, bevor er sagte: »Servus, Katharina. Lang, lang isch’s her.«
    Zu meiner Zeit im Queen’s Pub war Joe der Schwarm aller Bikerbräute und Rockermädchen gewesen. Ein blonder Hüne mit Augen so blau wie der Acherner Baggersee bei Sonnenschein, und – was seinen Reiz noch um einiges erhöhte – er bewegte sich mit der Geschmeidigkeit eines sibirischen Tigers und konnte genauso schnell zuschlagen wie dieser.
    Â»Wohl wahr«, meinte ich. »Dreißig Jahre, so ungefähr.«
    Â»Sagen wir mal so. Wir werden alle nicht jünger.«
    Was in seinem Fall definitiv stimmte. Er war immer noch ein Hüne, die Augen waren immer noch blau, aber von Geschmeidigkeit konnte bei der Wampe, die er sich in letzten dreißig Jahren angesoffen oder angefuttert hatte, nicht mehr die Rede sein.
    Â»Und? Wie läuft es so?«, fragte ich.
    Joe zog mit einem Ratsch den Reißverschluss seiner XXL -Lederjacke auf und ließ mich auf ein verwaschenes T-Shirt mit der Aufschrift »Blöd sind die anderen« blicken. Er machte keine Anstalten, den Pub aufzusperren, er blieb einfach neben seiner Maschine stehen.
    Â»Machst du einen Höflichkeitsbesuch um der alten Zeiten willen?«, fragte er zurück. »Du weißt schon, dass Markus tot ist? Scharfe Rechtskurve in Hinterseebach, verdammter Bodenfrost, 1998, wenn ich mich recht entsinne. To old to live, to young to die ist sein Lieblingsspruch gewesen.«
    Markus hatte mich damals gern auf seiner Maschine mitgenommen, er fuhr eine alte BMW , mehr wusste ich nicht mehr. Die Nachricht von seinem Tod musste mich in Wien erreicht haben. Ich erinnerte mich nicht daran.
    Â»Tommi und Günni sind aufs Auto umgestiegen und haben Karriere gemacht. Money, money, money , Freiheit ade.«
    Tommi und Günni, die Namen sagten mir noch was, aber ich wusste nicht mal mehr, wie sie ausgesehen hatten. Mit manchen Erinnerungen aus der Jugendzeit ging man so nachlässig um, dass sie aus dem Gedächtnis verschwanden.
    Â»Und du? Hast ja auch Karriere gemacht. Erfolgreiches Restaurant in Köln, feine Küche und so weiter. Martha gibt gern mit dir an, wenn sie mich mal nicht wegen dem Motorradkrach beschimpft. Hat sie dich heut vorgeschickt? Weil es ihr gestern wieder zu laut war?«
    Schon seit ich die Straße überquert hatte, überlegte ich, wie ich das Gespräch auf die gestrige Nacht bringen konnte. Es war praktisch, dass Joe selbst darüber redete.
    Â»Nein, nein«, sagte ich schnell. »Ich bin wach geworden in der Nacht. Hab gesehen, dass drei von den Hellsass Devils gestartet sind, hab mich gefragt, was die an einem normalen Montag nach Fautenbach treibt. Außer deinem guten Bier und deiner guten Musik natürlich.«
    Â»Sagen wir mal so: So ein gutes Bier kriegen sie auf der anderen Rheinseite nicht.«
    So lückenhaft mein Gedächtnis an die kurze Rockerzeit in meiner Jugend war, dass Joe damals schon gern seine Sätze mit »Sagen wir mal so« begonnen hatte, das fiel mir wieder ein.
    Â»Natürlich nicht«, beeilte ich mich, ihm recht zu geben. »Und deine Musik war immer vom Feinsten.«
    Er verschränkte die Arme vor der aufgeblähten Brust, war jetzt fast so breit wie hoch, und, auch wenn seine Fäuste nicht mehr so schnell wie früher waren, sicher immer noch einer, mit dem man sich nicht anlegen sollte. Er sah hinüber zu

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