Bibbeleskaes
Ich habe kein Problem gehabt, zu ihm nach Fautenbach zu ziehen, mit Gerti in einem Haushalt zu leben, sie war ja schon Witfrau, als wir uns kennenlernten. Die zwei hatten beide so eine melancholische Ader, da war es gut, dass mit mir frischer Wind ins Haus kam. Ich sehe viel, mir liegt viel am Herzen, und ich will was bewegen. Felix mochte es häuslich, er hat so gern gekocht, glücklich ist er gewesen, wenn ihm dabei was wirklich Gutes gelungen war. Auf seine Art hat er mich immer unterstützt, sogar mit dem Umzug nach Oberkirch war er einverstanden, im Falle, dass â¦Â«
Sie brach den Satz ab, stellte fest, dass ihr Glas leer war, füllte es erneut, trank und richtete danach den Blick in die Ferne.
Ich griff ihren abgebrochenen Satz auf. »Das versteht doch jeder, dass du in so einer Situation nicht weiter Wahlkampf machen kannst. Und wenn du gewählt wirst, geben sie dir bestimmt Bedenkzeit oder so.«
Sie drehte mir den Kopf zu. Ihre Augen glasig vom Wein, aber ihr Blick wild entschlossen. »Wenn ich gewählt werde, mache ich den Job. Für mich gibt es nichts Besseres als Arbeit, um über Felixâ Tod hinwegzukommen.«
Das verstand ich. Auch ich war eine, der Arbeit über Krisen hinweghalf.
»Wir hätten das alles geschafft! Ein richtiger Neustart. Felix endlich ohne die ungeliebte Spedition, er hätte beruflich was Neues probieren können, wäre in Oberkirch nicht täglich an seine Mutter erinnert worden. Ich versteh nicht, warum er so verzweifelt war, dass er â¦Â«
»Vielleicht irrst du dich. Es ist doch noch gar nicht sicher, dass er nicht umgebracht wurde. Vielleicht hat Murniers Mörder auch ihn â¦Â«
»Klar, dass dir diese Vorstellung besser gefällt«, unterbrach sie mich und lachte wieder so blechern und böse. »Dann brauchst du kein schlechtes Gewissen zu haben, dass du ihn durch deine Beschuldigungen in den Selbstmord getrieben hast. Weil du Detektivin spielen musst, ist mein Mann jetzt tot.«
»Ich habe ihn nie beschuldigt«, wehrte ich mich. »Was willst du mir da anhängen?«
»Entschuldige, entschuldige«, ruderte sie wehleidig zurück, »aber ich bin so durcheinander, mir tut alles weh, ich kann nicht mehr klar denken.«
»Auch Felix wollte doch wissen, was mit Murnier passiert ist«, rechtfertigte ich mich weiter. »Das ist doch normal, dass man Fragen stellt, wenn man in einer solchen Sache drinhängt. Und du weiÃt, dass mein Messer in Murniers Rücken steckte. Schön ist das nicht.«
»Was habe ich dir getan? Was?«, jammerte sie weiter und redete schon verdammt undeutlich daher. »Ich kann nichts dafür, dass du dich in einen Mann verliebt hast, der jetzt unter Mordverdacht steht. Aber du musst deswegen keine Unschuldigen verdächtigen und in den Tod treiben.«
Ich sprang auf, hätte sie am liebsten durchgerüttelt, riss mich aber zusammen und sagte nur: »Du spinnst ja!«
»âtschuldige, âtschuldige«, lallte sie, zog mich zurück auf die Bank und lieà ihren Kopf wieder auf meine Schulter fallen. Von dort rutschte er langsam weiter auf meinen Schoà und blieb dort liegen.
Mit zwei Flaschen Wein hatte sich Sophie die Kante gegeben. Während sie auf meinen Schenkeln laut zu schnarchen begann, verzieh ich ihr ihre Anschuldigungen. Sie war besoffen, krank vor Trauer, und sie irrte sich. Selbstmörder stürzen von Brücken, hängen sich auf oder trinken Gift, aber die fallen nicht einfach in einen Bach.
Sophie zog im Schlaf die Beine auf die Bank, ruckelte den Kopf in meinem Schoà zurecht, klemmte noch ihre Hände dazu und schnarchte wie ein ausgewachsener Holzfäller. Ihr Kopf auf meinen Oberschenkeln wurde schwerer und schwerer, es konnte lange dauern, bis sie ihren Rausch ausgeschlafen hatte.
FK schien mir der Einzige, den ich anrufen konnte. Ich schilderte ihm die Situation und bat ihn, die Adresse von Sophies Eltern ausfindig zu machen. Zwanzig Minuten später hörte ich seinen Wagen. Gemeinsam schafften wir es, die schlafende Sophie den steilen Hang hinunter bis zu FK s Wagen zu tragen.
»Im Gegensatz zu dir geh ich an mein Handy und drück nicht einfach Gespräche weg«, pflaumte er mich an, nachdem wir Sophie bei ihren Eltern abgegeben hatten. »Mein Gott, immer muss man sich Sorgen machen um dich!«
»Kaffee?«, schlug ich vor. »Vielleicht ein veritables Frühstück dazu
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