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Bibel der Toten

Bibel der Toten

Titel: Bibel der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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persönlich nehmen. Mehr will ich gar nicht sagen.«
    Das half Julia nicht groß weiter, und sie saß nachdenklich da.
    Annika hatte grundsätzlich eine ausweichende, schwer nachzuvollziehende Art, sich zu äußern. Aber was sie jetzt gerade gesagt hatte, war noch eine neue Stufe nebulöser. Obwohl Julia ihre alte Freundin mochte und schätzte, dachte sie verärgert: Jetzt stell dich mal nicht so an.
    Sie versuchte es noch einmal. Und dieses Mal fragte sie direkter.
    »Was hat er mit diesem Hinweis auf die Sammlung von Prunier gemeint?«
    »Das kannst du selbst googeln.«
    »Habe ich. Und dabei herausgefunden, dass Prunier ein kleines Dorf zwanzig Kilometer von hier ist. Im Norden von Lozère.«
    »Ja, weiß ich.«
    »Ich bin sogar hingefahren, Annika. Aber dort ist nichts. Ich bin davon ausgegangen, dass es dort irgendeine Art von Sammlung gibt, in der mein Fund unterkommen könnte. Ein kleines archäologisches Museum, noch mehr Schädel und Skelette, irgend so etwas. Aber alles, was ich dort gefunden habe, waren eine Bäckerei und eine Kirche. Und eine alte Frau, die mich ziemlich finster angestarrt hat. In Prunier ist nichts.«
    Ihre belgische Freundin lächelte distanziert.
    »Dann bist du also nicht darauf gestoßen. Aber das macht nichts. Es hätte dir wahrscheinlich sowieso nicht weitergeholfen.«
    Julia konnte sich nur mit Mühe beherrschen, ihre Freundin nicht wütend zur Rede zu stellen. Stattdessen nahm sie einen Schluck Tee.
    Annika fuhr fort: »Geh einfach mal davon aus, dass es Dinge gibt, die lieber im Verborgenen bleiben sollten.«
    »Was soll das jetzt wieder heißen?«
    »Die Wahrheit liegt in den Höhlen verborgen! Aber sie war schon immer dort verborgen, oder? Und wir wissen nach wie vor nicht, worin sie besteht.« Die ältere flämische Dame gestattete sich einen langen, melancholischen Blick auf ein Bild an der Wand, auf die schönen gedoppelten Pferde von Pech Merle, eigenartige, anmutige Pferde, die schon seit der Eiszeit voneinander fortgaloppierten. »Ich frage mich noch heute, warum sie so viele Tiere gemalt haben und so wenig Menschen? Ist das nicht eigenartig, Julia, hm? Und wenn sie Menschen gemalt haben, wirken sie alle so traurig und verloren, nicht? Die armen Jungen von Addaura, die schrecklichen Hände von Gargas, das Strichmännchen von Lascaux mit dem erlegten Wisent und seinen Eingeweiden, seinem Gekröse, als ob lauter Andouillettes aus seinem Bauch quellen würden! Noch etwas grünen Tee?«
    Das Bild aus Lascaux ließ Julia zusammenzucken. Die herausquellenden Eingeweide des verletzten Wisents, eine der grausigeren Darstellungen der eiszeitlichen Kunst. Beunruhigend wie die Hände von Gargas. Aber warum? Was hatte das alles zu bedeuten? Julia spürte ihre Frustration geradezu körperlich, nicht zuletzt, weil sie fand, dass ihr vernünftige Antworten zustanden. Immerhin hatte Annika sie zu sich eingeladen, nachdem Julia ihr von ihrem Fund, den Schädeln und dem Streit mit Ghislain erzählt hatte. Doch jetzt zierte sich die alte Dame auf einmal, zuckte nur mit den Achseln und machte auf geheimnisvoll und ärgerlich europäisch.
    »Annika. Ich bin hergekommen, um mit dir zu reden. Kannst du es mir nicht einfach erzählen? Wir sind Freundinnen. Warum stellt sich Ghislain dermaßen quer? Wenn du mir nichts erzählen kannst, dann sehe ich keinen …«
    Das Telefon klingelte. Annika stand auf und ging durch das kleine Wohnzimmer. Mit dem Telefon in der Hand stellte sie sich unter das Poster der Höhlenmalereien von Cougnac. Um nicht indiskret zu erscheinen, versuchte Julia das Gespräch auszublenden. Dennoch entging ihr nicht, dass der Anruf einen ernsten Anlass hatte. Annika wurde auffällig blass, und sie sprach sehr leise und nickte immer wieder angespannt.
    »Oui … oui … bien sûr. Merci.«
    Nachdem sie den Hörer bedächtig aufgelegt hatte, kam Annika an den Couchtisch zurück und zog die Strickjacke noch fester um ihre Schultern – als bliese der Wind direkt über die von Werwölfen heimgesuchten Steppen der Margeride herab und durch das Zimmer. Annika griff nach ihrer Tasse, nahm einen Schluck daraus und schimpfte:
    » Merde. Der Tee ist kalt.« Dann sah sie Julia an. »Das war gerade die Polizei. Ghislain ist ermordet worden.«

8
    S ie holten auf. Die Polizei kam immer näher. »Schneller!« Chemda ergriff Jakes Hand. Flüchtig, vielleicht sogar ohne sich dessen bewusst zu sein. »Los. Schneller. Bitte.« Dann begann sie, zuerst auf Französisch, dann auf Khmer, auf den

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