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Bienensterben: Roman (German Edition)

Bienensterben: Roman (German Edition)

Titel: Bienensterben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa O'Donnell
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Marnie. Ich greife nach ihr, klammere mich an ihren Schultern fest, ziehe an ihrem Ausschnitt. Sie nimmt meine Hände und drückt sie weg. Ich solle mich beruhigen, sagt sie. Ich komme mir vor wie eine Heulsuse, und wie ein Baby. Ich versuche, nicht daran zu denken, dass sie dort im Garten liegen, ich gebe mir wirklich Mühe, aber ich kann es nicht, in meinem Kopf sind sie die ganze Zeit präsent und so lebendig. Über Marnies Schulter hinweg sehe ich Izzy, und daneben steht Gene. Ich will schreien, aber Marnies Blick verbietet es mir. Sie zieht mich hoch, und wir dürfen nach Hause gehen.
    »Lennie stellt mir andauernd Fragen«, sage ich zu ihr.
    Sie beachtet mich gar nicht, das macht mir große Angst.
    »Lennie möchte wissen, wo sie sind«, beharre ich. »Aber wie kann ich ihm das sagen, wo er mir doch Chopin beibringt?«
    »Wenn du dich weiter so aufführst, weiß es bald jeder«, blafft sie mich an.
    Unser Leben ist eine einzige Misere, und ich bin so verdammt zornig im Moment. Vielleicht wegen der Dinge, die sich nicht ignorieren lassen, der Handlungen, zu denen ich von außen gezwungen werde. Ach, soll Marnie doch zur Hölle fahren mit ihrer verdammten aufbrausenden Art. Es schmerzt mich durch und durch.

Marnie
    Ich musste sie nach Hause bringen, weil sie in der Bibliothek einen Anfall gekriegt hat. Sie sah total gaga aus. Hat mir fast den Pulli runtergerissen. Ich hab sie vom Fußboden hochgezogen und ihr schnell das Kleid abgeklopft. Es war ganz staubig. Mrs.   MacLeod hat uns dann früher heimgeschickt.
    Auf dem Weg aus der Schule raus hab ich sie an die Hand genommen. Ich konnte irgendwie nicht anders. Ich könnt sie an die Wand klatschen, wenn sie so ist, aber ich fühle auch noch was anderes. Sie hat gezittert wie Espenlaub, und irgendwas in mir wollte sie so lange in den Arm nehmen, bis alles wieder gut ist, aber allein beim Gedanken daran hab ich ein ungutes Gefühl gekriegt und mich geschämt.
    Wenn ich hochgucke zu den Schulfenstern, wo die Leute aus Nellys Klasse stehen und »Freak« und »Spinnerin« rufen, werd ich total wütend. Ich versuch mir ihre Hackfressen zu merken, damit ich weiß, wo ich demnächst mal die Faust reinschlagen muss. Sie ist meine Schwester, und sie haben kein Recht dazu. Bei Lennie zu Hause lege ich sie aufs Sofa. Ich erzähle Lennie, dass sie in der Schule einen Anfall hatte. Ich sag dann schnell noch als Erklärung, das hätte sie öfters mal, und er schluckt es einfach, keine einzige Frage von ihm, dafür bin ich so dankbar. Es ist anstrengend, wenn man sich dauernd irgendwas aus den Fingern saugen muss. Nelly ist dann eingeschlafen und ich bin wieder in die Schule. Dort fühl ich mich sicherer. Ich komm nicht mit ihr klar, wenn sie so ist, und ich weiß genau, wenn sie aufwacht, hab ich keinen Schimmer, was ich ihr sagen soll. So läuft das im Moment.

Lennie
    Nelly hat das ganze Sofa vollgeblutet. Gott sei Dank hatte ich den Plastikschutzbezug drauf. Marnie war wieder in die Schule gegangen, deshalb musste ich selber los und Tampons kaufen. Zuerst kam mir die Apotheke in den Sinn, aber dort kennt man mich, also bin ich in den Supermarkt gegangen und habe sie unter einer Schachtel Cornflakes versteckt. Als Nelly sich dann etwas beruhigt hatte und merkte, dass sie nicht stirbt, sprudelte es nur so aus ihr heraus. Warum blutet sie? Warum tut ihr der Bauch so weh? Wie lange dauert das? Ich hätte schreien können. Wie zum Teufel hat das Mädchen bloß zwölf, fast dreizehn Jahre alt werden können, ohne je etwas davon mitzubekommen? Meine Schwestern konnten es kaum abwarten, erwachsen zu werden, haben sich mit elf Papiertaschentücher in den BH gesteckt und waren überglücklich, als sie endlich die Regel bekamen. Als ich zurückgekommen war, hatte ich Nelly die Tampons gegeben, aber es war klar, dass sie nichts damit anfangen konnte. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich habe ja auch nicht viel Ahnung von der genauen Handhabung, also habe ich ihr eine Ovomaltine gemacht und einen Schokoladenkeks gegeben.
    Das Schwierigste war natürlich, ihr von Schwanz und Scheide zu erzählen, wobei ich natürlich andere Worte gewählt habe, aber beim Thema Geschlechtskrankheiten und Abtreibungen habe ich kein Blatt vor den Mund genommen, zumal bei einem Mädchen, das so rasant und so wunderschön erblüht. Von Abtreibungen hätte ich ihr wahrscheinlich gar nicht zu erzählen brauchen, aber ich bin der Meinung, sie kann nicht früh genug über die Folgen von vorehelichem

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